SOMMERFEST DER WEINWANDERER


Die ziemlich weinigen Zusammentreffen der Eschenbacher Weinwanderer haben eine schon recht lange Tradition. So alle Monate wandert Mann und geniesst danach gemeinsam gereifte Bouteillen aus dem eigenen Keller. Immer mit einem sehr gut fokussierten Themenrahmen.

 

Diesmal verzichteten wir auf allzu konkrete Gebiets- oder Jahrgangsvorgaben. Dem gebotenen Menu geschuldet, eigneten sich Champagner, Weissweine, Rotweine und Süssweine zum möglichen Genusseinsatz.


Als Dank für unsere meist montäglichen Männertreffen luden wir diesmal auch unsere «besseren Hälften» ein. Somit verdoppelte sich unsere fröhliche Gruppe. Bei strahlendem Wetter genossen wir am ersten Junitag 2025 (ein Sonntag) lukullische und bachanale Elemente in der Jagdhütte Eschenbach. Nach einer kurzen Wanderung – nota bene …   


SUNNYBOY UNTER DEN WINZERN


Sunnyboy? Im Deutschen wird dieser Begriff verwendet, um einen sympathischen, charmanten, jungen Mann zu beschreiben, der Fröhlichkeit ausstrahlt. 


Sein berühmter Vater Thomas Donatsch hat schon früh mit seinem Sohn Martin parallel den Malanser-Winzer-Betrieb koordiniert und ihn ebenso rechtzeitig, als seine partielle Pensionierung, überholen lassen. Mit neuen Weinnamen und anderer Ausrichtung. Stets auf alten Erfahrungswerten aufbauend, mit neuen Erkenntnissen vermischt. Daraus hat sich eine unglaubliche Erfolgsgeschichte ergeben, welche über die helvetischen Landesgrenzen für Furore sorgte. Besonders mit der Pinot Selektion Privée (erste Edition 2013) ergab sich bei der Weinbörse damals eine Auktions-Sensation. Die Flaschenpreise stiegen über tausend Franken!


Seine Weine sind stets ausverkauft. Wer bei der Zuteilung desselben leer ausgegangen ist, der hat im heimlig-hölzernen Ochsen Malans doch noch die Möglichkeit, einmal seine rarsten Weine zu erleben.


Was bei mir einen sehr guten Winzer ausmacht? Auch die einfacheren Weine sind mehr als nur gut. Das ist auch bei Donatsch so!


Die allerbesten Weissweine aus dem Burgund haben schon längst Konkurrenz erhalten. Nicht nur in der Grösse, sondern im Geschmack. Zwei nicht helvetische Beispiele; Chardonnay von Huber aus Malterdingen (D) und Chardonnay Dog Point (NZ). Ergänzt durch eine Handvoll Produzenten aus der Schweiz. Mit Fokus auf das Bündnerland. Und da führt eine mögliche Lieferanten-Adresse in den Ochsen Malans. Wir hatten doppeltes Glück; Martin war persönlich dabei und hatte zwei Magnumflaschen im Voraus zugeliefert.  


2021 Chardonnay Unique, Donatsch, Malans: Doppelmagnum. Mineralisches Bouquet, Agrumen (Meyers Lemon), gelbe Früchte, weisser Rauch, zartes Vanillin. Berauschend und zart pfeffrig im Ansatz. Hätte man ihn blind im Glas, würde man sofort auf einen Weltklasse Chardonnay tippen. Prägnanter Gaumen, die grosszügige Säure vermischt sich mit der Adstringenz und zeigt die noch fast schon ungestüm anmutende Jugendlichkeit dieses vibrierenden, strahlenden Weissweines. Der Gaumenfluss ist perfekt, alles ist am richtigen Ort und er liefert einen ersten und noch mindestens 20 Jahre anhaltenden Genuss ab. Endloses Finale. Eine helvetische Meilenstein-Chardonnay-Legende. 20/20 beginnen 


2018 Pinot Noir Privée, Weingut Donatsch, Malans: Magnum. Eingeschenkt wurde er um 16 Uhr. Dekantiert hatte ich ihn um neun Uhr morgens. War ein guter Entscheid. Die dunkle Farbe fällt – für einen Pinot Noir – auf. Im dunklen Granat findet man lila Reflexe. Gleich zu Beginn zeigt sich ein intensiver Duft. Im Lead; schwarze Kirschen, dann reife Pflaumen und frische Brombeeren. Feine Kräuternuancen ergänzen den Aromenreigen. Im Untergrund findet man noch passende Röstaromen, welche an die Kruste von Sauerteig-Brot erinnern. Er lädt weit aus und ist – wohl dank des Dekantierens – erstaunlich kommunikativ. Im Gaumen zeigt er einen festen, seriösen Körper. Seine noch präsenten Gerbstoffe zeigen einen massiven Körperbau und bilden eine umfassende, ausgeglichene Adstringenz. Glücklicherweise paaren sich diese Tannine mit einem konzentrierten Extrakt und fleischigem Aufbau. Somit ergibt sich aus dieser genialen Trilogie eine sehr lange Lebenserwartung. Ein riesengrosser Bündner Pinot, vom Charakter und auch von seiner genialen Ausrichtung her. 20/20 beginnen


1996 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Doppelmagnum.  Die Innenfarbe ist fast Schwarz, mit feinem Rand. Das Bouquet; offen, röstig, süss. Nuancen von Zedernholz ergeben einen gewissen Saint-Julien-Effekt in der Nase. Dazu kommt das durchaus elegante Nasenspiel von warmer, pflaumiger Cabernet-Dominanz. Das passt zur Jahrgangsvorgabe. Im Gaumen weich, schmelzige Tannine, hoch aromatisch, mit gebündeltem Finale. Vor allem gefällt seine Balance und diese ist wiederum ein solider Altersgarant für weitere Dekaden grossen Genusses. Kurz dekantieren reicht. 19/20 trinken


Bild: Eliane und Philipp, Mouton-Sponsoren.


Sponsor und Mundschenk! Bärti mit einer Karaffe vom 1989er Château Cheval Blanc auf Einschenktour rund um den langen Gästetisch.   


1989 Château Cheval-Blanc, Saint-Emilion: Jéroboam. Die Farbe ist aufhellend, in der Mitte nicht besonders dunkel und zeigt immer noch mehr rote wie bräunliche Reflexe. Das Nasenbild vermittelt erst Tendenzen von Wildfleisch (Reh). Dann entwickelt er eine abgeklärte Süsse von getrockneten Früchten, rote Pflaumen, Goji-Beeren, Datteln, Feigen und dunklen Rosinen. Nach ein paar Minuten gesellt sich Würze dazu. Diese erinnert an einen reifen, grossen Burgunder und deutet auf Kardamom, Curcuma, getrockneten Fenchelsamen, Thuja, getrocknete Pfifferlinge, arabischer Kümmel und weitere Würzingredienzen hin. Mitunter findet man auch cereale Nuancen in Form von Roggenbrot und malzige Spuren. Das Bouquet zeigt eine sublime Fülle und lädt schön aus. Dann geht er etwas in die Tiefe, nicht grad unterirdisch, aber doch schöne Terroir Komponente zeigend. Diese erinnern an Leder, dominikanischen Tabak und getrocknete Baumrinde. Alles recht kompakt und einen wunderschön reifen, grossen, rechtsufrigen Bordeaux vermittelnd. Feinfleischiger, ausgeglichener Gaumen, sehr ausgeglichen, reife Tannine, welche immer noch sanft stützen, angenehm malzig und auf der Zunge bleiben minime Spuren von nobler Teebitterkeit zurück, die Rückaromatik wiederholt viele Aromen, welche bereits in der Nase – sozusagen als Vorspiel – die Vorfreude auf dieses seltene Saint-Emilion-Reifweinerlebnis eingeläutet hatten. Hier darf man ganz sicher von einem grosszügigen Grossflaschenbonus sprechen. In früheren Jahren hatte ich diesen Cheval Blanc 1989 so um die 17-Punkte herum bewertet. Seit rund 15 Jahren gefällt er mir immer besser. So tanzen den Bewertungen der letzten 15 Jahre solide um 18-Punkte herum. Diese einzigartige Jéroboam gehört zu meinen bisher schönsten Kontakten. Dass er gegenüber dem Entkorken bis zum Geniessen nach ein paar Stunden sogar noch zulegte und dabei mehr Schmelz entwickelte, spricht für seine weitere Lebensgarantie. Normalflaschen sollten jetzt – will man ihn auf seinem Peak geniessen – aber doch definitiv entkorkt werden. 18/20 trinken


Ein paar technische Daten zum Cheval 1989:

Er wurde innerhalb 20 Tagen zwischen dem 7. und 27. September geerntet. Der Ertrag betrug stolze 50,7 Hektoliter per Hektar. Der Alkohol-gehalt liegt bei 13 Volumenprozent. Eine Normalflasche kostet heute 600+ Franken. Jéroboam gibt es keine mehr im Welthandel.


SILVIO MIT SEINEM PEBY


Seit Beginn ist Unternehmer Silvio Denz bei unseren WeinWanderern dabei. Kurioserweise zelebrieren wir nicht oft seine eigenen Weine. Zum Glück ergab sich an unserem Sommerfest eine Ausnahme. Er hatte eine Doppelmagnum Péby vom Jahrgang 2010 in seinem Gepäck.  


2010 Château Péby-Faugères, Saint-Emilion: Doppelmagnum. Die Farbe; Violett-Schwarz. Nach 15 Jahren sieht man also noch keinerlei Hinweise auf sein Alter. Auch beim zweiten Blick nicht. Das Bouquet katapultiert sich förmlich aus dem Glas. Die ersten zwei Aromengiganten; Amarena Kirschen und Holundersirup. Dann Cassis Likör und Heidelbeeren. Also Frucht. Frucht. Frucht. Und nochmals Frucht. Das Nasenbild zeigt immer noch eine dokumentarische – nebst Frucht – florale Frische und minzige Konturen. Im Gaumen ein Mund voll Wein. Üppig, feinfleischig und mit gut stützender Säure. Wieder explodieren die dunklen Früchte und bilden in der Geschmackpalette den Lead. Eine Balance mit Säure, Fleisch und Tanninen auf höchstem Niveau. Alles im Lot und schier im Übermass. Doch er ist dabei nicht unzugänglich und so langsam beginnt dieser ausserirdische Rotwein seine wirkliche Grösse zu zeigen. Insgesamt scheint es mir, dass sich die Appellation (Saint-Emilion) generell etwas im Hintergrund dieses Weltklasse-Merlots befindet. Das ist kein Makel, sondern eine Tatsache. Gehört zu den grössten Péby-Editionen! Und davon gibt es nicht wenige. 

20/20 beginnen (langsam!)


P.S. Bei Baghera Wines in Genf wird noch eine Magnum zu 520 Franken angeboten.  



WIE KOJAC OHNE LOLLY


1947 Château Coutet, Barsac-Sauternes: Magnum. Dunkelbraun mit letzten goldenen Reflexen. Mineralisches, breit gefächertes Bouquet; Kandiszucker, Dörrfeigen, Datteln, kandierter Honig, Bitterorangemarmelade, getrocknete Orangenschalen, wilder Rosmarin, Kampferblatt, dunkel gebackener Blätterteig. Im zweiten Ansatz zeigt er einen zart salzigen Ansatz, was seine grossartige Mineralität dokumentiert. Im Gaumen sehr konzentriert. So wirkt er trocken und süss zugleich. Wie eine Essenz. Man spürt dabei förmlich die getrockneten Trauben in Form von Rosinen und Korinthen. Die Ausrichtung dieses aus dem Barsac stammenden, grossartigen Sauternes ist dreidimensional und erinnert an eine Mischung aus Averna, Appenzeller-Kräuterlikör und einem Malmsey-Madeira. Im Finale klingt ein Hauch von Madras-Curry nach. Und wiederum Dörrfeigen, wie schon zu Beginn. Ein Event mit Jürg Richter (Bild oben) ohne Sauternes ist irgendwie wie Kojak ohne Lolly. Undenkbar! 19/20 trinken  


DIE DREI EHRENGÄSTE


Am Sommerfest der Weinwanderer. Graf Stephan von Neipperg (Château Canon-La-Gaffèliere), Bernard Anthony (Elsass) und Martin Donatsch (Malans). Gut gelaunt durchs weinige Sommerfest vor der Jagdhütte im luzernischen Eschenbach. Tischrunde (unten).



2009 DUCRU BEAUCAILLOU


Eigentlich ist der 2009er Ducru das Gegenteil von den anderen grossen Weinen dieses heroischen Jahrganges. Während wertmässige Konkurrenten der Top-Liga so richtig aus dem Glas herausdröhnen und mit Aromen nur so um sich werfen, beginnt dieser obernoble Saint-Julien schon fast zaghaft und performt nach und nach. Als ich ihn «erschnupperte», war ich erstaunt zu Beginn so viele rotbeerige Tendenzen zu finden. Klar lieferte er auch Pflaumen und Cassis nach, aber die mit floralen Nuancen gemischte Frische machte ihn verspielt und bewirkte einen feinen, unglaublich vielschichten Aromenreigen. Im Gaumen brilliert er durch seine hochfeinen Tannine, welche wie Seide über die Zunge gleiten und – zusammen mit der perfekt integrierten Säure – für eine royale Balance verantwortlich sind. Das Finale gibt sich gebündelt, mit nicht aufdringlichem Druck und doch ellenlang. Während die 2009-Bordeauxgiganten zu Rodeostimmung verleiten, gibt sich der Ducru wie ein klassisches Orchester, bei dem ein Star-Geiger mit einer Stradivari die Hauptrolle spielt. Kein Super-Bordeaux für gesellige Blindproben. Den trinke ich dann doch lieber allein. Oder mit sehr guten Freunden. So wie gestern! 20/20



LE JOYAU? 

DOMAINE LEANDERE-CHEVALIER? 

ANGLADE? 


Von diesem Weingut hatte ich zwar früher schon vage gehört. Dem Wein selbst bin ich nie begegnet. Und jetzt kam ich (endlich!) dazu. Wie die Jungfrau zum Kind. Denn – ich startete im Facebook einen Aufruf, ob jemand ein paar sehr alte Sauternes-Flaschen für eine Weinprobe auf Château Guiraud nach Bordeaux mitnehmen könne. Ein gewisser Reto Erdin vermeldete, dass er schon am Wochenende an die Gironde fahre und mir gerne diesen Freundschaftsdienst erweisen würde. 


Schon am anderen Tag fuhr ich meine Kartons nach Zürich und übergab diese bei einer Bekannten. Als «Transport-Provision» händigte ich eine honorable Flasche Pauillac aus und bekam als Gegenzug zwei Flaschen Le Joyau. Danach surfend stellte ich fest, dass mein «Flaschen-Chauffeur» Reto Erdin zufällig seit kurzem der Besitzer des betreffenden Weingutes ist. 


Bordeaux steht nicht auf dem Etikett. Weder vorne, noch hinten. Aber die Adresse: Domaine Leandre-Chevalier, 40 route de L’Estuaire, 33390 Anglade. 


Anglade? Noch nie gehört. Sofort surfte ich nach dem Dorf auf Google Maps. Diese Weinregion liegt etwas nördlich von der etwas bekannteren Appellation Blaye. Also auf der «herüberen», östlichen Seite vom Médoc. Die Domaine war schnell gefunden. Mit einem Rechtsklick kann man die Luftdistanz zu anderen Orten herausfinden. Da habe ich einfach mal zum Spass «Château Latour» ein und staunte Bauklötze. Die Luftlinienentfernung zu diesem Premier Grand Cru beträgt lediglich neun Kilometer! Nun gut, ein ähnlicher Breitengrad ist natürlich kein direkter Vergleich. Aber für eine generelle Verwunderung reicht es allenthalben. Und es schürt den Effekt von Neugier …     


2022 Le Joyau, Domaine Leandre-Chevalier, Anglade: 48% Merlot Noir, 48% Cabernet Sauvignon, 4% Petit Verdot. Die Farbe ist schnell erklärt; Violett-Schwarz. Duftiger Nasenbeginn, Kaffee, Roggenbrot, Backpflaumen, schwarze Beeren, dunkle Edelhölzer, Vanillemark. Zeigt eine warme und reife Aromen-Ausstrahlung. Feinfülliger Gaumen, die Tannine sind präsent, zeigen aber unerhört viel Charme, dunkles Malz, Pumpernickel Brot, Mocca, Black Currant Pastillen, leicht tintig im weichen, konzentrierten Extrakt. Endet mit ausgeglichener Adstringenz. Perfekt vinifiziert! Ein grosser, aber nicht unnahbarer Rotwein. Er scheint auch nicht kompliziert in seiner weiteren Entwicklung zu sein. Aber – das ist das Wichtigste – er hat das gewisse Etwas, was seine kaum vergleichbare Signatur dokumentiert. Ein generelles Alterungspotential zu evaluieren ist nicht einfach. Dafür garantiere ich einen frühen und für locker 15 Jahre langen Genuss. Vielleicht auch länger. Er läuft nicht unter Bordeaux, sondern simpel unter «Vin de France». Im Markt kostet er 39 Franken. Diese beiden Analyse-Elemente miteinander vermischt ergeben einen formidablen Entdeckungswert für neugierige Nicht-Snobisten. Da wird ein neues, wenn auch kaum vergleichbares, bordeauxnahes Weinkapitel mit Nachhaltigkeitspotential geschrieben. Selten in meinem Leben habe ich einen für mich noch unbekannten Wein auf einem derartig hohen Niveau entdecken dürfen! 18/20 beginnen  


Das Weingut macht diverse Weine. Die Produktion ist sehr naturnah. Und am meisten arbeiten dort die Pferde. https://www.hommecheval.com/





Heute kam der La Mission-Haut-Brion 2024 als Primeur auf den Markt. Kostenpunkt 178 Franken. Scheint mir attraktiv zu sein. So günstig war er schon lange nicht mehr. Ausser …


Aufgrund der zahlreichen Angebotsmails bekam ich Lust auf einen La Mission. Primeurkäufe mache ich keine mehr. Aus Altersgründen. Dafür kümmere ich mich vermehrt um meine Schlummerweine. Also griff ich zum 2004 La Mission Haut-Brion und entkorkte eine Flasche, um diese heute während rund fünf Stunden genüsslich zu trinken und weiter zu verfolgen. Der erste Eindruck ist beeindruckend! Die Farbe zeigt zwar eine minime Reife am Rand – innen ist diese aber noch fast Schwarz. Das Bouquet vermittelt den Eindruck, dass die Frucht jetzt unweigerlich den sagenhaften Terroir-Eindrücken Platz macht. Man findet noch etwas Pflaumen, doch Trüffel, Tabak, Grahambrot und erste Kräuternuancen sind wohl jetzt in den nächsten Jahren im Vormarsch. Er geht dabei gewaltig in die Tiefe und zeigt generell, dass er in den nächsten 20 Jahren zum geduldigen Klassiker mutiert. Die Gerbstoffe verlangen noch deutlich nach weiterer Flaschenreife. Mit der Luft kompensiert dieser geduldige Pessac aber ein Teil der angestammten Tannin-Härte. So muss Mission. Männlich mit Charakter. Lange dekantieren. 19/20 beginnen




CHÂTEAU MOUTON-ROTHSCHILD (1948 - 2018)


Es geht um eine Wochenend-Raritätenrobe mit 36 Jahrgängen vom prestigeträchtigen Château Mouton-Rothschild. Um seine letzte Phase als Deuxième Grand Cru Classé und um die Zeit nach seiner Aufstufung im Jahr 1973 in die Liga der noblen Premiers. Entkorkt wurden am Freitag, 9. und Samstag, 10. Mai 2025 insgesamt 35 Mouton-Jahrgänge von 1948 bis 2018. Also sprechen wir von einer Spannweite von sagenhaften 70 Jahren. Es ging allesamt um die geraden Jahrgänge. Entstanden ist die Idee aus einer Sammlung, welche Gabriel von der Weinbörse-Auktion ersteigerte. Weil diese niemand haben wollte! 

Vielleicht, weil die Etiketten bei einigen Flaschen eine gewisse Alterspatina zeigten. Und auch nicht wenige Kapseln korrodiert waren. Das gibt halt Abzug im Marktpreis. 


Warum ich mich für diese Kollektion erwärmte? Im Schnitt wiesen die Flaschen ein fürs Alter hervorragendes Füllniveau aus. Darauf kommt es an, wenn man Wein nicht sammeln, sondern halt geniessen will. Aufgrund der zu vielen Bouteillen für eine zweitägige Verkostung von insgesamt 70 Jahrgängen entschied ich mich dieses Verkostungsthema zu splitten. Will heissen; diesen Frühsommer 2025 ging es den Weinen mit einem geraden Jahrgang an den Flaschenkragen. 



Die Vorbereitungen begannen kurz nach zwölf Uhr am Freitag, als Robi Hocher (im Bild mit den Tischweingrossflasche) zur Dekantier-Zeremonie in Eschenbach antrabte. 


Die Flaschen schlummerten schon lange in Gabriels gekühlten Keller. Einen Monat zuvor stellte ich die Flaschen auf, damit sich das Depot absenken konnte. Robi entkorkte, dekantierte, trennte das Depot, wusch die Flaschen aus und goss den dekantierten Wein sorgfältig in die Originalflasche zurück. Und fügte dann den Depotrest dazu. So waren die Moutons «ready» für den ersten Event-Tag.  


KARIN KANN KNOLL


Ganz früher servierte ich jeweils zu Beginn eines besonderen Weinabends Champagner. Heute sind es Wachauer Weine. Die perlen zwar nicht, sind aber dafür immer besonders. Mouton mag Karin gar nicht. Der würde nach Schwarztee schmecken, meint sie. Stimmt auch manchmal, wenn auch selten. Zur Sicherheit setzte ich gleich zu Beginn auf ihren Lieblingsproduzenten. Wenn Knoll mit im Spiel ist, gibt es immer einen gelungenen Abend. Hier postiert sie mit einer Magnum 2011 Grüner Veltliner Smaragd Ried Loibenberg. Davon gab es drei «Editionen». Und die waren relativ schnell «dehydriert» …


1962 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Füllniveau; Top Shoulder. Den Wein kenne ich schon lange. Und immer dann, wenn es eine perfekte Flasche ist, dann duftet dieser erotische Mouton zu Beginn wie ein Pomerol, respektive fast schon wie ein grosser Pétrus. Caramel, Gianduja-Pralinen, Nougat, rotes Cassis, schwarze Johannisbeeren. Alles verpackt in einer atemberaubenden Süsse und extrem weit ausladend. Im Gaumen füllig, weiche Tannine, obercremiger Fluss und gebündeltes, cereales Finale. Für sein Alter eine perfekte Flasche! 19/20 austrinken 

Die Administrationschefin Priska Theiler und Kemmeribodenbad-Besitzer Reto Invernizzi sind beide im grossartigen Bordeauxjahr 1982 geboren. Am Schluss ergab sich noch eine Minimenge für die Beiden zum Nachverkosten.

  

1982 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Füllniveau; Into Neck. Der Nervosität steigt immer, wenn man einen Mouton 1982 verkosten darf. Es gibt da offensichtlich verschiedene Abfüllungen. Da war mir bei der ersten Sekunde klar; das ist eine der besten Varianten. Viel Malz, Schokofacetten, Pralinen der besten Sorte, würziges Cabernet-Spiel und eine berauschende Süsse vom kleinen Anteil von Merlot in der Komposition. Gebunden, ausladend, berauschend. In allerbester Reife. Man kann sich fast nicht Sattriechen daran. Im Gaumen die Plenitude schlechthin, reicher Körper, obercremige Tannine, Schmelz und Charme bis hin zum minutenlangen Finale. Eine absolute Wow-Flasche! Er ist in allen Belangen gefährlich hochreif! 20/20 trinken


LEGENDÄRER JAHRHUNDERTWEIN


Viele sind an diesem introvertierten Mouton schon längst verzweifelt. Doch so langsam wird’s. Endlich. Die Farbe ist Schwarz!   


1986 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Es ist zum ersten Mal, bei dem ich bei einem Mouton 1986 von Beginn weg das Gefühl hatte, dass er erstmals Kommunikationslust verspürte. Das immerhin nach fast 40 Jahren seit seiner Geburt. Unglaublich tiefes, rauchiges Cassis- und Holunderbouquet. Noch immer dominiert die Frucht und irgendwie scheint die Evolution bei diesem Mammut-Pauillac stehen geblieben zu sein. Mit jeder neuen Minute im Glas legt er nach und gibt sich somit permanent vielschichtiger. Blind würde ich wohl auch auf einen der allerbesten Napa-Cabernets tippen. Wenn auch doch mit extrem klassischem Mouton-Schwarz-Schoko-Minze-Akzent. Im Gaumen sind die Gerbstoffe jetzt (endlich!!!) wenigstens etwas weicher geworden. Diese bilden zwar immer noch eine zukunftsverleihende Adstringenz, zeigen aber doch an, dass der Wein auf gutem Weg ist, der von mir längst proklamierte Nachfolger vom legendären 1945er zu werden. Wer noch nicht zu alt ist, um diesen möglicherweise grössten Mouton von der zweiten Jahrhunderthälfte zu erleben, sollte kaufen oder nachkaufen, um ihn auf seinem möglichen Höhepunkt um 2040 zu geniessen zu können. 20/20 beginnen 


Das Mouton-Rothschild-Menu am Freitag im Kemmeribodenbad.                            www.kemmeriboden.ch




SCHÖNE AUSSICHT MIT WEITSICHT


Das ist die auf Hügeln gelegene Moosegg in der Gemeinde Lauperswil. Dieser bekannte Gastrobetrieb war der Ausgangspunkt für den zweiten Teil vom Mouton-Wochenende. 



Madame Mouton! Verena Conte mit ihrem Geburtsjahrgang 1948. Der kam an diesem Abend als Pauillac ins Glas und am Schluss als Sauternes; Château de Fargues, ebenfalls 1948! 


1948 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Füllniveau; Upper Mid Shoulder. Süsses, dunkelmalziges Bouquet, Malagarosinen, Appenzeller Kräuterlikör, dunkles Brot, Dörrfeigen. Bereits nasal eine gewisse Reifweinsensation. Cremiger Gaumen, weiche Konturen, viel Terroir-Aromatik und wieder die fast schon klassisch anmutende Mouton-Süsse. Tolle Flasche. Was für ein Beginn eines Raritätenprobeabends! 18/20 austrinken


NAPA UND SPANIEN IST BESSER


Thomas Kistler ist ein treuer Begleiter von Weinverkostungen. Sein Geburtsjahrgang 1968 wird aber in der Regel selten zelebriert. Bordeauxweine sind leider ein Fiasko. Trost gäbe es im Napa Valley und bei den Spaniern. 

 

1968 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Füllniveau; Upper Low Shoulder. Ist es Kork oder halt unsaubere Vinifikation? Bei einem Bordeaux 1968 könnte es sogar beides sein. Das Regenjahr hat viele faule Trauben hin zum Keller gebracht. Im Gaumen wirkt er drahtig, asketisch und besteht eigentlich nur aus Säure und blechigen Muskeln. Ein absolut spassloser Wein, den man weder verkosten und schon gar nicht trinken mag. Also; keine Bewertung. 



WEIN SCHECHT – MENSCHEN GUT


Ausser im Burgund war das Weinjahr 1972 wirklich keine Offenbarung. So kann man denn den betreffenden Mouton-Rotschild weder schönreden noch schönschreiben. Pech für Ruben Vogelsang der – das Foto beweist es – das Verdikt mit einem Lächeln konstatiert. 

Jahrgangstrost spendet der noch im Markt befindliche Rum de Courcelles 1972 aus Guadeloupe. Der ist hingegen eine Sensation! Steht auch in meinem Weinkeller …


1972 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Offene Nase, Hirschleder, Tabak, Malz Zigarrenkiste, darunter findet man grasige Noten. Geht aber doch noch durch, weil ich weniger erwartet hätte. Im Gaumen magere Konstellation, im inkonsistenten Extrakt findet man Cornichons und Blattnoten. Leider hält dieser Mouton was der Jahrgang generell auch nicht verspricht. 13/20 vorbei



1990 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Nussiges Bouquet, Caramel Gianduja-Pralinen, Pfeffernüsse (eine Art Lebkuchengebäck mit Zuckerguss), Kardamom, kalter Earl Grey Tee (Bergamotte) wunderschön duftig mit einer traumhaften Terroirsüsse. Cremiger, weicher Gaumen, zeigt viel Charme und eine Souplesse im Fluss bis hin zum wiederum süsslichen Finale. Ginge auch als Ribera-Spanier durch. Eine meiner besten Flaschen. Und das waren nicht wenige Eindrücke zuvor. Mindestens 50 würde ich sagen. Aber – er ist reif! Also auf nichts mehr warten und nicht zu lange dekantieren. Wenn überhaupt. 19/20 austrinken


2010 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Leider korkte unsere Flasche fürchterlich. Das war zwar ärgerlich, aber insgesamt hatten wir über das ganze Mouton Wochenende doch ein recht grosses Flaschenglück. Hier eine Notiz vor zwei Jahren. Zum Trost. Das Nasenbild ist enorm dicht, kompakt und zeigt dabei aber doch eine erste, minime Öffnung. Der Gaumen ist erstaunlich weich und samtig, die Tannine sind cremig und die Adstringenz ist nobel, ausladend, aber bei Weitem nicht so, wie ich dies von einem in der Regel fordernden 2010er erwartet hätte. Beim zweiten Ansatz packt er dann doch mehr zu und zeigt sein deutliches Verlangen nach weiterer, möglicherweise jahrzehntelanger Flaschenlagerung. Das Finale bleibt schwarzbeerig und vermittelt, florale Züge. Ein massiver und doch nicht lauter Mouton. Schon fast die intellektuelle Art eines Jahrhundertweines. Beruhigend, erhaben, mächtig. Die Wertung von mir hat deshalb «Aufrundungspotential». 19/20 warten


EIN BILD MIT ZWEI GROSSEN FLASCHEN 


Als Robi Hocher die Jéroboam 1988 Cos d’Estournel aus der Kiste packte, zeigte sich ein Rinner. Die Flasche war in der Folge leicht oxidiert. Wir hatten als Joker eine Jéroboam 2006 Ferrière mitgenommen. Die kam bei unseren Weinfreunden sehr gut an. 


DAS SAMSTAG-MOUTON-MENUE


Es lohnt sich der Blick auf die Teller des Chefs Daniel Lehmann. Seine engagierte Brigade zeigte sich wie immer auch bei voll besetztem Haus stressresistent und überzeugte einmal mehr, dank ihrer regional eingefärbten Küche mit leicht internationalem Touch. (Text: Gault-Millau). Webseite: www.moosegg.ch


Die grosse Mouton-Story von René Gabriel: www.bxtotal.com




OHNE KLASSEMENT: CHÂTEAU DE FARGUES

 

Dieses ikonische Anwesen in Sauternes ist seit 1472 im Besitz der Familie Lur Saluces. Etwa 700 Hektar betrug die Gesamtfläche der Familienweinberge im 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit besass die Familie Château Yquem, Château Filhot, Château Coutet und Château de Malle. De Fargues hatte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem gemischten Bauernhof entwickelt, auf dem die vorhandenen Reben nur noch zur Herstellung eines einfachen, trockenen Weissweines angebaut wurden.  Tatsächlich wurde die prächtige Festung, die Kardinal Raymond Guilhem de Fargues (der Neffe von Papst Clemens V.) im Jahr 1687 erbaut hatte, von einem schrecklichen Brand heimgesucht. Dieser zwang die Familie dazu, den Ort zu verlassen.


Das Schicksal hatte jedoch anders entschieden. Über die Generationen hinweg haben sich starke Persönlichkeiten abgelöst. Besonders hervorzuheben ist Gräfin Françoise-Joséphine de Lur Saluces, die im 19. Jahrhundert gemeinsam mit Garros die Auswirkungen der Botrytis cinerea untersuchte und in der Region späte Weinlese einführte. Erwähnenswert ist auch Bertrand de Lur Saluces, der Onkel von Alexandre, dem späteren Eigentümer, der in den 1920er Jahren beschloss, die Milch- und Rotweinproduktion auf die Produktion grossartiger Süssweine umzustellen. Dazu riss er alle alten Reben aus und pflanzte Sémillon und Sauvignon an. Erst im Jahr 1943 erntete er erste Trauben. Das war der erste Château de Fargues im klassischen Sauternes-Stil. 

Diese Aufzählung erklärt, warum ein so altes Gut, fast hundert Jahre nach dem historischen Sauternes-Klassement von 1855 erstmals in Produktion ging. 


Bei Sauternes Freak Jürg Richter hatten sich zwanzig Jahrgänge von diesem Sauternes-Weingut angesammelt und wir beschlossen gemeinsam, diese Kollektion als «süsse Begleiterscheinung» zu integrieren.  Die ungeraden Jahrgänge werden dann im Herbst rund um Bad Ragaz zelebriert. Die geraden entkorkte Robi Hocher im Emmental. Fünf am Freitag. Fünf am Samstag. 



1948 Château de Fargues: Die Farbe zeigt schon in deutliches Braun und noch knapp orange Reflexe. Fein parfümiert mit cerealem Schimmer, Malaga Rosinen, Kaffee, Süsshölzer, feine Kräutertöne. Das Nasenbild gibt sich feinschichtig und öffnet immer wieder neue Facetten an der Luft. Im Gaumen zeigt er ebenfalls viele Dörrfrüchte, dies wieder in Rosinenform, auch mit Kumquat Schalen und ungeschwefelten Dörraprikosen. Erinnert deutlich an eine Trockenbeerenauslese, aber auch an einen süssen Madeira. Zusammengefasst; grosse Faszination mit Oxidation. 18/20 austrinken 


PRÄZISER SCHNELLVERKOSTER


Er liebt Sauternes innig. Jürg Richter beim Degustieren. Am Samstag kommentierte er die süsse Serie. Seine Notizen: www.sauternes.ch 



MORGENSTUND HAT GOLD IM MUND


Aurora babet aurum in ore. So heisst das lateinisch definierte Sprichwort. Es besagt, dass sich frühes Aufstehen lohne und man dabei mehr Erreichen könne. Wie auch immer. Um mich am Abend fürs Finale zu schonen, verkostete ich die süssen «Samstags-Weine» von Chateau de Fargues (1944, 1948, 1952, 1954 und 1956) schon um zehn Uhr morgens.  




BIBI’S TESTAMATTA & COLORE


Kunst auf dem Etikett und Klassik in der Flasche! Das sind die heutigen Weine von Bibi Graetz der sich mit seinem – zumindest für diese toskanischen Region – jung anmutenden Weingut einen angesehenen Rang in der Szene etabliert hat. Er bespielt von den Preisen her das obere Mittelfeld und heimst sich dabei Wertungen ein, bei denen manche Super-Toscans neidisch werden. So gesehen spielt er fast in einer eigenen Liga. 


Was sich heute dank zurückhaltender Vinifikation und moderatem Ausbau als Klassiker bezeichnen kann, hat ursprünglich als Revolution angefangen: Hitzige Produktion, (zu) viel neue Barriques, bullige Weine mit kaum verkraftbaren Gerbstoffen und immer genügend Volumen. So hat der gelernte Künstler im Jahr 2000 mit seinen ersten Weinen und relativ kleinen Mengen seine heute erfolgreiche Geschichte begonnen. 

Begegnet bin ich Bibi Graetz damals in Bordeaux. Bei Thunevin in den Garagen, wo - nebst vielen Bordeaux Repräsentanten - auch einige «externe Winzer» deren Weine vorstellten. 


Und immer wieder wurde ich gebeten, doch auch diese Weine und somit auch die ersten Jahrgänge von Bibi Graetz zu verkosten. Doch ich winkte immer höflich ab. Mehr als tausend Primeur-Fassmuster reichten bei mir völlig aus, um einer androhenden Degustations-Langeweile zu entrinnen. 


Später bekam ich ab und zu einen der folgenden Jahrgänge ins Glas. Die Weine waren wirklich gut. Jetzt schon etwas bedächtiger, aber doch immer noch mit dem inneren Wunsch aufzeigend, irgendwie in der Szene auffallen zu wollen. Mehr Gerbstoff wie Saft, könnte man sowas deklarieren. 

2023 traf ich Bibi Graetz am siebzigsten Geburtstagsfest von Paolo Cattaneo in Lugano. Dabei äusserte er den Wunsch, dass ich ihn doch einmal besuchen komme um seine Weine besser kennen zulernen. 


Am ersten Sonntag vom Juni 2025 bestiegen Paolo Cattaneo (ARVI), André Kunz (Schweizerische Weinzeitung) Baschi Schwander (mybestwine.ch) und ich den Zug in Lugano. Mit dem Ziel; Firenze. Nach dem perligen Ferrari auf dem Dach vom Hotel, kehrten wir in einem italienischen Restaurant ein und orderten Bistecca alla Florentina. Als passende Begleitung wählte Paolo ein paar Italo-Rotweine aus. So gingen wir genau so gestärkt wie müde ins Bett. Am anderen Tag prasselte der Regen und blockierte die Florenzer Hauptstadt noch mehr wie sonst. Also Chaos pur! Bibi holte uns mit seinem Volvo ab und nach mehr als einer Stunde standen wir in seiner besten Lage. Wir hatten Glück; der Regen hatte aufgehört. Ein paar Meter weiter oben schnitt ein Bauer das Bord mit einem Trimmer. Wohl Gras gemischt mit Kräutern. Es duftete lieblich und würzig, wie ein «Luftparfüm» über den betagten Reben, welche sich auf rund 680 Meter über Meer befinden. Bibi setzt für seinen besten Wein, den Colore, auf hohe Lagen und alte rund 70 Jahre Reben. Und primär auf den Sangiovese. 


TESTAMATTA VON 2015 bis 2023


Insgesamt produziert Bibi Graetz fast 20 Weine. Wir fokussieren uns in diesem Bericht auf die beiden Hauptweine Testamatta und Colore, welche 90% der Produktion umfassen. 


Die Preise liegen, je nach Jahrgang um 60 bis 80 Franken. Das ist für Privatkäufer ein guter Genusswert für Preis für einen grosses Toskaner. Gürs Gastronomie-Segment wird dieses Tarif-Niveau schon etwas schwierig.   


Die Produktion schwankt und liegt im Schnitt bei etwa 70'000 Flaschen. Der Sangiovese liegt da im Vordergrund. Wir verkosten vom längst gefüllten 2015er bis zu einer Fassprobe vom 2023er. Besonders gefallen Testamatta 2015 (18/20), 2016 (18/20), 2020 (19/20), 2021 (18/20) und 2022 (19/20). 


2020 Testamatta Bibi Graetz: Mittleres Granat. Süsses, pflaumiges Bouquet zu Beginn, weit ausladend und dabei viele Duftfacetten zeigend; Edelhölzer, Kaffee, ein Hauch von getrocknetem Origano und frischen Eucalyptusblättern. Im Gaumen komplex, angerundete Tannine, im Finale dunkle Beeren und Lakritze. Aktuell der beste Jahrgang der neuen Serien. 19/20 beginnen


COLORE-VERTIKALE 2015 BIS 2013


Grossartiges Kino von einem relativ neuen Wein in der Toskana-Szene. Wie schon erwähnt, waren die allerersten Editionen geprägt von mehr Wollen wie Können, respektive wies das «Starterkit» reichlich Holzeinsatz und eine «engagierte» Vinifikation auf. Heute hat Bibi Graetz den Dreh raus. Er fokussiert sich in erster Linie auf die Quelle, respektive die Rebberge. Danach lässt er die Weine schonend gären und beeinflusst im Keller praktisch nur noch begleitend. Neue Holzfässer finden nur sporadisch (so wenig wie nötig …) den Weg in seine «Hotel-Kellerei» in Fiesole. 


Der Colore basiert auf fast reinsortigem Sangiovese. Als Blendzugabe finden mikrige Prozente von Canaiolo und Colorino den Weg in diesen mittlerweile etablierten Toskana-Premium Wein.  


Um sich auf die beste Qualität zu fokussieren verwendet Bibi hier seine höchsten Lagen, welche von 500 Meter aufwärts liegen. Das hat zur Folge, dass die aktuelle Produktion von früher bis zu 30'000 auf 15'000 Flaschen gesunken ist. 


Auch vom Preis her, hat sich der Colore in der Szene etabliert. Der Tarif liegt bei jüngeren Weinen leicht unter 200 Franken. Bei älteren Jahrgängen auch mal deutlich über 200 Franken. Abgesehen von ein paar wenigen noch viel teureren Super-Tuscans befindet er sich mit seinem besten Wein, also dem Colore, in der Champions-League Italiens. 


2020 Colore, Bibi Graetz: Sattes Granat, noch praktisch keine Reifeanzeichen vermittelnd. Komplexes Bouquet mit viel Untergrund. Noch immer rot- bis blaubeerige Frucht anzeigend, Damassine-Pflaumen, feiner Kräuterreigen, Sommertrüffel. Im Gaumen mit feinen Gerbstoffen aufwartend, die passen sich dem Körperfluss an und liefern ein langes, erhabenes Finale. Dieser grossartige Colore bereits seine Harmonie gefunden. Für mich repräsentiert dieser Jahrgang genau das, was wohl auch die Vision vom Besitzer ist. Nicht der grösste Colore, aber aktuell fraglos der Schönste! 19/20 trinken


Wie die anderen Colores schmeckten? 

www.bxtotal.com weiss es ...


100 PUNKTE FÜR COLORE 2022


Er gehört zu den umtriebigsten und auch einflussreichsten Verkostern in der aktuellen Weinszene. Wenn James Suckling Weinregionen bereist, packt er viele Punkte in seinen «Score-Suitcase». Er liegt von allen Bewertern meistens im obersten Bereich und so lieben ihn die Winzer, weil sie dann ihre Weine ausgiebig bewerben können. Der Colore 2022 ist wirklich ein beeindruckender Toskaner. Falstaff (95/100). Gabriel (19/20).  



2022 Colore, Bibi Graetz: Obwohl der Wein minim reduktiv daherkommt, zeigt er eine geballte, wuchtige Nasenladung von reifen Pflaumen, rotem Pflaumenkompott, Schoko Noten, Pulverkaffe und einem Anflug von dunklen Rosinen. Im Gaumen kompakt, vollfleischig mit verlangender Adstringenz. Die Gerbstoffe an sich geben sich mollig und verleihen zu einem jetzt schon cremig anmutenden Fluss, katapultariges Finale. Schwierige Wetterbedingungen, grossartiger Wein mit versprechender Zukunft. Beste Genussreife wohl ab 2030. 19/20 warten. 




CHÂTEAU FIGEAC, VON 1937 BIS 2015


Der Ostschweizer Weinfreund Roland Kesselring ist Figeac-Fan. Und auch Angélus gehört zu seinen Favoriten. Mit Figeac verbindet ihn aber eine spezielle Beziehung mit seiner leider verstorbenen Frau Manuela. Es war der erste Wein, den er mit ihr beim Kennenlernen trank und auch der letzte Figeac, ein Jahr vor deren Tod. Also sind da nicht nur Vorlieben vorhanden, sondern auch ganz viele Erinnerungen verbunden mit Emotionen. 


So gesehen war es für ihn an diesem 2. Mai 2025 im Carlton in Zürich wohl nicht nur einfach eine Vertikalverkostung, sondern auch ein innerer Vorbeimarsch. 


Über die Jahre hatten sich in seinem Keller recht viele verschiedene Jahrgänge von diesem beliebten Saint-Emilion-Premier-Grand-Cru angesammelt. Bei einem Telefonat mit seinem alten Freund René Gabriel kam diese Ansammlung aufs Gesprächstrapez. 

So nach dem Motto; «wir könnten doch mal diese Weine mit Freunden zelebrieren», entstand in der Folge ein veritabler Event. Nach dessen Ausschreibung auf Gabriel-Webseite war dieser schon nach wenigen Tagen komplett überbucht. So sassen denn an diesem Abend im Carlton-Keller fünfzehn Weinfreaks am Tisch und genossen den intensiven Figeac-Abend in vollen Zügen. 




1937 Château Figeac, Saint-Emilion: Füllniveau; mittlere Schulter. Ziemlich Braun in der Farbe und matt. Morbides und doch noch irgendwie süsses Bouquet, Hagebutten Gelee, Pflaumenkompott, Feigensirup, eingelegte Tresterschalen, Sojasauce, Verdelho Madeira. Im Gaumen zeigt er viel Dörrfeigenmark, Datteln, Malzsirup und noch eine angenehme Grundaromatik. Mehr als nur einfach noch «trinkbar». Man merkt a.) dass 1937 ein grosses Jahr war und b.) der eine grossartige Herkunft hat. 17/20 vorbei 


P.S. Auf dem Flaschenbild ist die Familie Villepigue markiert, die Ur-Grosseltern vom späteren Besitzer Thierry Manoncourt. 



GEMEINSAME JAHRGÄNGER


Jürg und Martin sind beide im Jahr 1964 geboren und posieren hier mit der «entleerten» Flasche, welche insgesamt viel Freude bereitete. Leider ist dieser Figeac weltweit ausverkauft und auch im allwissenden winesearcher.com gibt es keinerlei Angebote. Somit bin ich wohl einer der ganz wenigen, der weiss, wo noch zwei Flaschen schlummern … 



HAT ER ODER HAT ER NICHT?


Schon vor dem Verkosten teilte ich den Gästen mit, dass der Figeac 1986 keinen «Zapfen» hat. Schmeckte aber so. Die technische Kurzformel dieses Problems heisst TCA. Ein Fehlton, der sich damals in nicht wenigen Weinkellen in Bordeaux ausbreitete. Befallen waren unter anderem Latour, Canon, Sociando-Mallet, Ducru, Grand Puy-Lacoste, etc. Und eben der Figeac. Wenn wir jeweils einem solchen, dumpf-morschigen Wein begegneten sagten wir einfach: «Er figägelet!». 

   

1986 Château Figeac, Saint-Emilion: Magnum. Deutlich aufhellendes Weinrot mit ziegelrotem Schimmer am recht transparenten Rand. Krautiges, grüngrasiges Bouquet, Hetera Helix (Efeu), frische Eukalyptusblätter und nasses Tabakblatt. Er wirkt spürbar dumpf im Untergrund. Im Gaumen merkt man schon die zu dominanten grünen Cabernet Noten, zwar fleischig aber in seiner Art eher bourgeois daherkommend. Nach fast 40 Jahren immer noch unfertig und zu wenig entwickelt. Und nein, der Wein hat keinen Korkfehler. Eher einen Kellerfehler. Und das war leider schon seit Beginn so bei diesem Jahrgang! Sehr langes dekantieren hilft ein bisschen. Aber leider nur wenig. Ich würde ihn Essbegleiter einsetzen oder grad in die Sauce schütten. Als Gulasch zum Beispiel. 15/20 trinken



1990 Château Figeac, Saint-Emilion: Die Farben aller Bordeaux’ von diesem Jahrgang sind regelmässig relativ hell und da ist dieser Figeac keine Ausnahme. Aufhellendes Reifgranat mit transparentem, ziegelrotem Rand. Wunderbar süsses, kräutriges, hellmalziges Bouquet, die Süsse wird ergänzt durch einen Hauch von buttrigem Caramel. Viel Spitzwegerich Bonbon Noten und Lakritze. Saftig-eleganter, schon fast irgendwie schlank anmutender Gaumen, aromatisches Finale. Dieser sagenhaft süffige 1990er ist schon seit Jahrzehnten auf seinem Höhepunkt und macht immer noch fraglos Spass. Es wäre kein Problem von diesem betörenden Saint-Emilion eine ganz Flasche zu trinken. Ein paar Mal wurde der 1990er Figeac bei Empfängen auf dem Weingut serviert und er fand damals schon reissenden Absatz. Genau so mochte Thierry seine Weine! 19/20 austrinken

AUF DEM WEG ZU LEGENDE


Wenn ein Figeac mal plötzlich dicht und bullig daherkam, so war das von der Natur geschenkt und nicht vom Besitzer gewollt. Thierry war ein unverbesserlicher «Claret-Fanatiker» mit einem permanenten Hang zur Eleganz. Und er war – nicht ganz unbescheiden – auch stets der Ansicht, dass der Figeac der beste Wein von Saint-Emilion ist! 


Mein Eindruck anlässlich einer Fassprobe vom 1998er, Anfangs April 1999: «So eine tiefe und dichte Farbe hat man bei einem Figeac bald nun schon ein Jahrzehnt nicht mehr gesehen. Königliches, homogenes Bouquet; leicht laktisch mit einer berauschenden, erdigen Cabernet Franc-Süsse darin, Irisch Moos, wunderschöne Würznote. Im Gaumen wiederum sehr komplex, saftig, tiefgründig und einem sensationellen Terroirfundament, viel Potential aufweisend. Es scheint, dass Thierry Manoncourt nach einigen Jahren der Lethargie wieder einmal zeigen wollte, was ein ganz grosser Figeac ist und somit dann auch locker an der Spitze mitmischen kann. Ein ganz grosser Klassiker, nahe einem Jahrhundertwein!»


1998 Château Figeac, Saint-Emilion: Sehr dunkles Purpur, immer noch minim lila Reflexe anzeigend. Beginnt mit einem Traubouquet, Lakritze, Pflaumen, Cassis, Brombeeren, dunkles Caramel, Edelhölzer, Zedernholz, Korinthen, Pfeffernussgebäck, Lebkuchen, fermentierter Jasmin Tee. Mit jedem neuen Nasenkontakt versprüht er noch mehr Aromen von sich. Im Gaumen perfekt in jeder Beziehung. Alles ist an seinem richtigen Ort, konzentriert mit nachhaltiger, klassischer, warmer Figeac-Aromatik. Eine Legende und ein Denkmal, dass sich Thierry Manoncourt selbst gesetzt hat. Zwei Stunden dekantieren. Die Reflektionen erinnern an legendäre Bordeauxjahre wie 1928, 1928, 1945 und 1961. Also passt er in diese Reihe! In der Schweiz ist leider keine einzige Flasche mehr auf dem Markt zu finden. In Eschenbach hat es noch. Auch Grossflaschen. 20/20 trinken    


UNVERBESSERLICHER FIGEAC-FAN


Roland Kesselring mit einem seiner vielen Favoriten. Eine Magnum 2004, welche aus seinem Keller stammte. 


2004 Château Figeac, Saint-Emilion: Magnum. Sattes Purpur mit dezent bläulichen Reflexen. Das Bouquet wirkt noch zurückhaltend und kommt nur zaghaft aus dem Glas heraus. Grundsätzlich geht die Aromatik in eine dunkelfruchtige Richtung; Brombeeren, Cassis, Heidelbeeren, dann Lakritze und schwarze Pfefferkörner. Eher cool in seiner Ausstrahlung, was wiederum zu den Jahrgangsvorgaben passt. Im Gaumen samtig, dicht und noch fein adstringierend. Die Tannine sind ausgeglichen und der Nachhall beeindruckend. Wirkt noch zu jung und geht als kühler Jahrgang in die Geschichte ein. Beruhigend und doch grösser als erwartet. Ich hatte ihn nie unterschätzt und bin mir jetzt noch sicherer, dass man diesen Figeac im Keller haben sollte und noch fünf Jahre ruhen lassen muss. Von seiner aktiven Cabernet-Präsenz könnte man allenfalls bei einer Blindprobe auch im Médoc suchen. Bin gespannt, was in der Zukunft aus ihm wird. Wie viele Weine dieses Jahrganges scheint auch dieser versprechende Figeac tendenziell unterschätzt zu werden. 18/20 beginnen 


P.S. In der Schweiz gibt es zu diesem Wein ein paar günstige Angebote ab CHF 145. Kaufen!  


Gut gelaunt bis zum Schluss! 


Robi Hocher und René Gabriel geniessen einen letzten Schluck Figeac zum Finale.  


Der grosse Gabriel-Bericht: www.bxtotal.com 






QUINDICI GRANDI VINI DELLA TOSCANA


Ein guter Monatsstart! Denn - am 1. Mai waren Freunde vom «Melchsee-Frutt-Berwert-Club» in Sarnen bei Romy und Kurt von Rotz eingeladen. Derweil Kurt im tiefen Keller fleissig Toskaner entkorkte, stand Romy wohl noch etwas länger in der Küche im obersten Stock. Die Kombination aus diesen beiden Elementen; schmackhaft-urchige Gerichte mit dem besten, was die Toskana an Rotweinen zu bieten hat. 


Bella Vita! So lässt es sich gut leben! Es war der erste richtig warme Sonnentag in diesem Jahr. Selbst als wir uns nach rund sieben Stunden verabschiedeten, duftete es herrlich nach getrocknetem Heu. So schmeckt der Sommer! Ein wunderbarer Aromen-Ausklang für einen besonders schmackhaften Tag. 


Gemütlich, stresslos und ergiebig! 


Das Titelbild zeigt die gut gelaunte Gästeschar bei der Weinkellerbesichtigung und beim Flaschenbestaunen der Toskana-Parade. Danach gings per Lift in die Dachwohnung mit einem Wachauer Riesling-Apero auf der weitblickigen Terrasse. Aus der Küche duftete es herrlich nach «Militär-Chässchnitten», welche in der Folge reissenden Absatz fanden. 


Schon im Keller waltete André Kunz seines zugeteilten Amtes als «Serienkreateur». 

So bestimmte er die Reihenfolge der jeweils im Dual-System auftretenden Flaschen. 


Wichtig ist bei diesem Entscheid, dass es am Schluss keine Überbleibsel mehr hat. Ein Dutzend Toskaner für zehn Gäste. Eine grosszügige Menge. Zumindest, wenn drei Frauen fast schon hartnäckig beim Weisswein bleiben. Doch es gab an Schluss dann doch noch eine aufrundende Zugabe. Plötzlich standen noch drei Jahrgänge von Le Pergole Torte auf dem Gabentisch.


ORNELLAIA UND SASSICAIA


Beide Weine kamen sehr gut an. Was beim Ornellaia in der Regel zu erwarten ist, scheint beim Sassicaia nicht immer der Fall zu sein. Diesmal performte er! Schon im Glas zeigt der 2015 Sassicaia Tenuta San Guido ein recht dunkles Granat. Der Duft war klar auf präzisen Cabernet ausgerichtet, feines Vanillin und Cassis, vermischt mit Lakritze. Immer noch in der Fruchtphase. Im Gaumen mit perfekter Adstringenz und versprechendem Potential. (20/20). Wie immer ein Blend aus Cabernet-Franc, Cabernet Sauvignon und Merlot. 


Laut und polternd im Gabriel-Glas; 2015 Ornellaia. Purpur-Schwarz. Geballtes, röstig-pflaumiges, wuchtiges Bouquet. Im Gaumen massig und doch scheinen die reichen Tannine beim Ausbau in den Barriques genügend geschliffen worden zu sein. Der Viersorten-Blend besteht aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Ein absoluter Winner-Kandidat für Blindproben. (19/20). 


GROSSES BRUNELLO-KINO


Wer mich kennt, weiss, dass es viel braucht, dass ich von einem Brunello ins Schwärmen komme. Diesmal war ich sogar bei beiden Varianten begeistert. Wenn auch mit komplett anderen Ansätzen. 


2001 Brunello die Montalcino, Riserva Santa Caterina d’Oro, Vigna di Pianrosso: Immer noch fast Schwarz! Reichlich Pflaumen, schwarze Schokolade, Dörrbirnen, Trüffel und dunkles Biermalz. Voller Gaumen, Reichtum ohne Ende, geschmeidiges Tannin, dickes, respektive gebündeltes, endloses Finale. Da hat man irgendwie versucht, eine Magnum in eine Normalflasche zu füllen. Wow! Ein Hammer-Brunello mit weiterem Leben. (19/20). 



2001 Brunello di Montalcino, Case Basse, Soldera: Aufhellend mit bräunlichen Reflexen. Würzig-zedriges Bouquet, getrocknete Küchenkräuter, heller Tabak, salzige Mineralität anzeigend. Sangiovese-Terroir pur! Eleganter feiner Gaumen mit stützenden, asketischen Muskeln und immer noch präsenter Säure. Ein Wein wie aus einer anderen Zeit. Schmeckt so unikat, wie es nur Soldera kann. Trotz seiner Reife, gewinnt er noch an der Luft. Eines Tages kann man solche Klassiker an einer Hand abzählen. Zwischen Masochismus und Genialität. (19/20). 

MONTEVERTINE-ZUGABEN-TRILOGIE


Es war wohl der André der mit einer widerkehrend mündlich bekundeten Liebe zu Pergole Torte den Auslöser für die honorige Zugabe von drei Editionen von diesem sagenhaften Monfortino-Prestige-Rosso sorgte.  


Besonders spannend bei der Gegenüberstellung; 

jeder trug deutlich den Herkunftsabsender und reflektierte gleichzeitig eindrücklich die meteorologisch unterschiedlichen Jahrgänge. 



Der grosse Bericht von diesem Super-Toskana-Tag: www.bxtotal.com



GRANGE LA CHAPELLE


Penfolds und Jaboulet lancieren das Unfassbare!


Noch vor Jahren bekämpften sich die Franzosen mit dem australischen Weinproduzent Penfolds. Der Zusatz «Hermitage» auf dem Grange musste gerichtlich verschwinden. Und nun lancieren ausgerechnet zwei mögliche Rivalen gemeinsam einen Wein mit einer Assemblage aus Hermitage la Chapelle und dem Penfolds Grange.  


Jetzt kommt der Jahrgang 2021 auf den Markt. Der wahrlich stolze, augenreibende und für mich unverständliche Preis für diese Kontinent übergreifende Komposition: 2300 Franken!!!


Spontan bin ich auf die Idee gekommen, diesen Blend zu probieren. Und zwar zu einem Bruchteil des verlangten Preises. Ich werde eine Flasche 2021 Hermitage La Chapelle kaufen. Die kostet mich etwa 250 Franken. Dann ordere ich noch eine Flasche Grange 2021 im Netz. Die steht dann mit 450 Franken zu Buche. Dann entkorke ich die beiden Flaschen und dekantiere diese in eine grosse Karaffe. So entsteht, nach «Grande-la-Chapelle-Tarif» berechnet eine theoretische Magnum im Handelswert von 4600 Franken.


Früher performten grosse Weine erst im Handel, dann auf Auktionen. Heute werden die nicht nachvollziehbaren Preise von den Produzenten festgelegt. 


Nett gemeint, aber leider nicht besonders nachhaltig …




COS D’ESTOURNEL AUF WANDERSCHAFT


Die Weine aus Bordeaux sind, nach deren Abfüllung auf stetiger Wanderschaft. Zwar werden sicherlich ein paar Flaschen auf dem Weingut selbst getrunken, doch das Gros findet seinen Weg im eigenen Land sowie in alle weintrinkenden Länder auf der Welt. So sind denn auch die Weine von Cos d‘Estournel auf stetiger Wanderschaft bis zur Enddestination …


Der ehemalige Besitzer Louis Gaspard d’Estournel entdeckte, dass das Reisen seinen Weinen besonders guttat. Es lieferte seine Weine damals zum Teil fassweise aus. Als unverkaufte Schiffsware aus Indien wieder zurück nach Bordeaux verfrachtet wurde, verglich er seinen Wein im Keller mit der «Rücksendung» und stellte fest, dass die Wanderschaft seinen Cos gar verbesserte. 

So entstand die Erkenntnis, dass Holzfässer nicht nur für den Transport, sondern auch für den Ausbau vor der Füllung von Vorteil waren. Das bedeutete zwar Investition, die Folge waren aber bessere Preise im Markt. 


WEINWANDERN


Wäre an unserem Event nicht der Wein, sondern wir von Saint-Estèphe bis nach dem luzernischen Eschenbach gewandert, so hätten wir, gemäss Google-Maps, für die angegebene Distanz von 849 Kilometer rund 193 Stunden gebraucht. 


Wir wählten die wesentlich mildere Variante und bewegten uns eine Stunde lang im Eschenbacher Wald. Das lüftet den Kopf und macht Appetit aufs Weinverkosten und fördert die Lust nach Essen im Freundeskreis.  


Die Flaschen stammten aus den diversen Weinkellern der «Mitglieder» und wurden schon Wochen zuvor in Gabriels Keller aufgestellt. Am Nachmittag ging es den Bouteillen mit dem Korkenzieher an den Kragen. Das Karaffieren sorgte für klaren Wein und Luft. Danach wurden die Weine wieder sorgfältig zurück in die zuvor ausgewaschenen Originalflaschen gefüllt. 


1959 Cos d’Estournel, Saint-Estèphe: Halbe Flasche aus Bärtis Keller (Bild). Erstaunlich dunkle und noch jugendliche Farbe. Besonders wenn man sein Alter mit in Betracht zieht. Ich hatte noch die optischen Reflexe vom 1989er in Erinnerung und die waren sich da ziemlich ähnlich. Zeigt eine erdige, sanfte Süsse mit elegantem Ansatz. Viel Zeder-Nuancen im Duft, dominikanische Cigarren, Pfefferkörner, getrocknete Küchenkräuter (vor allem Thymian), Milchkaffee und Périgord Trüffel. Er duftet und duftet. Hat keine Probleme mit Luftzutritt. Eleganter, ausbalancierter Gaumen, saftiger, langer Fluss, hochreife und doch noch minim stützende Tannine, fein aromatisches, sehr langes Finale. Unglaublich, dass eine halbe Flasche diese Alterstortur so schadlos überstehen konnte. Das war ein richtig grosses Bordeaux-Erlebnis. Wow! 18/20 austrinken

PREISBAROMETER


Aktuell sind die Preise für luxuriöse Weine volatil. Die Marktpreise sind gewaltig unter Druck. Vergleicht man gewisse Crus im winesearcher.com so ergibt sich bei vielen Angeboten ein ziemlich heterogenes Bild. Will heissen, man könnte jetzt beispielsweise den damals (zu) teuer lancierten Cos d’Estournel vom Jahrgang 2009 unter dem damaligen Subskriptionspreis kaufen. Lucullus in Stans bietet aktuell sechs Flaschen davon zum Einzelpreis von 259 Franken an. Bei Scrollen findet man aber gleichzeitig auch nicht wenige Offerten um 450 Franken. Gekostet hat er «en primeur» 370 helvetische Taler. So gesehen sind das brutale Preisdifferenzen. Und da ist der Cos d’Estournel bei weitem kein Einzelfall. Wie schaut es sonst so mit dem Markt-Tarifen der jüngeren der wichtigsten Jahrgangsreferenzen der Cos-Editionen aus? Gefühlsmässig und rechnerisch liegen die beiden besten Kaufvarianten bei den Jahrgängen 2020 und 2015. Unter den reifen Cos-Weinen ist der Jahrgang 1988 einer meiner Lieblinge. Den findet man unter 200 Franken. Die finanziell dümmste Variante sechs Flaschen Cos zu kaufen ist die oben abgebildete Kiste, welche sich «Trésor du Maharadja» nennt. Drin liegen – in edlem Holz verpackt die grossen Jahrgänge 1982, 1989, 2003, 2005, 2009 und 2010. Kostenpunkt: 900 Franken. Nicht für die Kiste, sondern pro Flasche. Wer mit dem Faktor 6 rechnen kann, kommt somit auf brutto 5'400 Franken für die «Möbelvariante» Holz und Wein. 

   

• 2023 Château Cos d’Estournel, CHF 145

• 2022 Château Cos d’Estournel, CHF 245

• 2021 Château Cos d’Estournel, CHF 200

• 2020 Château Cos d’Estournel, CHF 180

• 2019 Château Cos d’Estournel, CHF 210

• 2018 Château Cos d’Estournel, CHF 248

• 2016 Château Cos d’Estournel, CHF 220

• 2015 Château Cos d’Estournel, CHF 180

• 2010 Château Cos d’Estournel, CHF 345


AUF GIGANTISCHEM GENUSSPUNKT

 

1989 Cos d’Estournel, Saint-Estèphe: Immer noch ziemlich dunkel in der Farbe, Granat mit  aufhellendem Rand mit dezent ziegelrotem Schimmer. Offenes, deutlich pflaumiges Bouquet, zeigt eine komplexe Süsse und ist immer noch präsent. Mit längerem Luftzutritt entwickelt er eine wunderschöne Terroir Anzeige mit Sommer- Trüffel, wunderbar vermischt mit Edelhölzern, dominikanischem Tabak, Dörrfeigen und hellem Malz. Im Gaumen füllig, weich und recht opulent, cremiges Extrakt, süsswürziges Finale mit nobler Bitterkeit, welche eine sanfte Rasse verleiht. Ein toll gereifter Wein. Da musste ich mich beim Verkosten richtig zurückhalten, um die Degustations-Ration nicht einfach spontan zu schlucken. Und während ich diese Zeilen schrieb, floss der wunderschön gereifte Saint-Estèphe ganz einfach und unzimperlich meinen verwöhnten Lukullus-Hals hinunter. Das war ein sehr beeindruckendes Erlebnis. Leider liegt mein Bestand bei null. ☹ 19/20 trinken   



ZWEITWEIN UND GRAND VIN NEBENEINANDER


2009 Les Pagodes de Cos, Saint-Estèphe: 69% Cabernet Sauvignon, 30% Merlot, 1% Petit Verdot. Noch immer recht sattes Purpur mit scharlachroten Reflexen. Offenes, deutlich röstiges Bouquet, an Grahambrotkruste erinnernd, geröstete Nüsse, ein Hauch dunkle Rosinen, Arabica-Kaffee, getrocknete Goji-Beeren. Er scheint vollständig geöffnet zu sein. Samtiger, leicht malziger Fluss, Feigen und andere Dörrfrüchte, angenehmes Finale. Da habe ich mit enormer Freude einen sehr guten Schluck genehmigt. Manchmal ist «reif» besser als «gross»! 18/20 trinken 


2009 Cos d’Estournel, Saint-Estèphe: 65 % Cabernet Sauvignon, 33 % Merlot, 2 % Cabernet Franc. Es ist unmöglich durch den Wein hindurchzusehen, derartig intensiv ist das dunkle Purpur, welches am Rand noch keine Reifetöne zeigt. Heisses Bouquet, Dörrfrüchte und eigentlich würde das Nasenbild an einen giga-grossen Vintage Port erinnern. Das Ganze einfach ohne Süsseindrücke. Also geht es momentan in Richtung staubtrocken. Ich liess mir Zeit bis zum zweiten Eindruck. Nach 10 Minuten wirkte das Nasenbild komplexer. Mocca, Lakritze, dunkles Malz (Guinness), Couleur (stark gebrannter Zucker). Wirkt barock und tiefgründig im generellen Ansatz. Im Gaumen ein Brocken von einem massiven Wein. Spontan kommt mir da der Begriff «Amboss-Bordeaux» in den Sinn. Den Tanninen mangelt es beileibe nicht an Arroganz. Fleisch ist auch genügend vorhanden, um diese aktuelle «Unbalance» später auszugleichen. Was mittlerweile gegenüber früher besser ersichtlich ist; der Wein geht den richtigen Weg und wird in seiner Reife an die Jahrgänge 1928 und 1945 erinnern. Also haftet etwas Legendenhaftes an ihm. Die Frage des Dekantierens kann ich nicht beantworten. Ich stelle mir diese Frage nämlich selbst. 20/20 beginnen 


UNTERSCHÄTZTER KLASSIKER


Es gibt Bordeauxjahrgänge, welche zwar gut rüberkommen aber im Markt keine Dynamik entwickeln. Das Motto hat einen englischen Slogan: «Its hot or not hot». Bordeaux 2004 und 2014 sind nicht «hot» im Markt. 


Seit deren Lancierung gehen die Preise zwar teuerungsbereinigt stetig nach oben, bleiben aber für echte Weingeniesser erschwinglich. 


Vom seit der Fassprobe hoch bewerteten 2014er gibt es noch ganz viele Angebote, welche deutlich unter 200 Franken liegen. Der günstigste (VINUM, Biel) verlangt momentan gar nur 149 Franken für ein Flacon. Das ist sehr viel Cos für relativ wenig Geld. 


2014 Cos d’Estournel, Saint-Estèphe: 65 % Cabernet Sauvignon, 33 % Merlot, 2 % Cabernet Franc. Dunkles, dichtes Purpur mit lila Schimmer. Der erste Nasenansatz zeigt besonders viel Würze, Kardamom, Lakritze, dunkle Beeren, Schwarzbrot Kruste und eine schier schon verschwenderische Spur von Edelhölzern. Im Gaumen viel Stoff im Extrakt anzeigend, Waldbeeren und Mocca im aromatischen Finale. Halt Klasse und Rasse. Dürfte einer der besten Weine dieses Jahrganges im Médoc sein. Wie alle grossen Cru dieses Jahrganges ist auch dieser Cos reichlich unterschätzt. Geht in Richtung ziemlich grosse Klassik mit einer minimen Napa-Tendenz. Ich hatte ihn schon als Fassprobe mit 19/20 bewertet. Und diese Taxierung bestätigt sich heute wieder. Ein Mega-Grand-Cru-Value!!! 19/20 trinken

ZULIEFERER UND IDEENLIEFERANT


Der Bordeaux-Favorit von Weinfreund Jörg Studach ist der Cos d’Estournel. Da gibt es noch genügend Reserven in seinem Keller. Jetzt sind sechs Flaschen weniger … 


Bild: Haus und Hoflieferung ein paar Wochen zuvor. Dem Sponsor sei in Trullala!


Der grosse Bericht: www.bxtotal.com 









SÜLZE UND SCHWEINSBRATWÜRSTE


Das Leben kann so einfach sein. Die Wein-wanderer halten es mit dem Food simpel und konzentrieren sich aufs Wesentliche. Unsere «Beilagen» an diesem Abend. Hausgemachte Rast-Sülze. Schweinsbratwürste normal und Chili, Philipp am Grill. Gabriel-Ofenkartoffeln. Alp Schlacht Käse.



DOPPELFEIER MIT DOPPELMAGNUMS


 

The making off: Zuerst ein Blick zurück! Um ziemlich genau neun Monate. Auch an einem Samstag. Robi und Yvonne fahren nach Eschenbach. Im Kofferraum; mehr als ein Dutzend Doppelmagnums. Das sind «Gugen» mit drei Litern Inhalt. Grosse Flaschen für einen grossen Event! Nach dem «in die Szene setzen» der besonders weinigen Grossflaschen, stellen sich Robi und Yvonne hinter die önologische Kulisse. Nach ein paar Knipsern war der Spuk bereits vorbei. Das frohlockende Titelbild für die folgende Geburtstags-Einladung war im Kasten!


Am Samstag, 12. April 2025 um 16.00 Uhr, griff die UKW-Brassband vor dem Restaurant Bacchus in Hildisrieden zu ihren Instrumenten und bliesen den rund 40 Gästen den Marsch. Im Zentrum des Events; die beiden glücklichen, in Summe 120 Jahre alten Geburtstagskinder. 


Robi fasste in kurzen Worten den nun folgenden Abend insofern zusammen, dass der Bacchus der Gott des Weines und des Rausches sei und beides an diesem Abend möglich wäre. Derweil sich Yvonne als gute Zuhörerin manifestierte …  


SABRIEREN WILL GELERNT SEIN


Der Vorgang heisst Sabrage. Die Tätigkeit; Sabrieren. Ein Säbel wird eine Fingerbreite über dem Etikett angesetzt und in einem Winkel von etwa 20 Grad gegen die untere Kante des Flaschenkopfes geschlagen. Mit dem Endziel die Flasche zu Köpfen. 


Erfunden wurde diese publikumswirksame «Gewaltsentkorkung» vermutlich 1812 von den napoleonischen Soldaten während des Russlandfeldzuges. Der Name stammt vom französischen Begriff Säbel = Sabre. 


Was man auch als Erklärung beim Info-Surfen findet; dass Sabrieren gar nicht so einfach sei und dass der Vorgang erst mit der Zeit routinierter würde. Was vielleicht auch noch für eine These eines möglichen Sabrierungs-Erfolgs spricht, ist der Umstand, dass es wohl besser mit einer Flasche Champagner wie mit einem Sekt klappt. Der Beweis für diese These lieferte Robi gleich selbst. Der Sekt wollte ganz und gar nicht sabriert werden, der 2008 Champagne Dom Perignon dann aber schon. 


2015 Riesling Schütt, Smaragd, Emmerich Knoll, Wachau: Helles Grüngelb. Offenes, weit gefächertes Bouquet, duftig mit mineralischem Ansatz, traubig mit Stachelbeeren und Karambole Frucht durchsetzt. Im Gaumen aussen weich und saftig, innen mit aktivem Säurespiel durchsetzt. Bekanntlich soll Riesling ja tanzen. Dieser tanzt. Und wie. Zeigt auch auf, dass Wachauer Weissweine hervorragend reifen können. 19/20 trinken


Robi hatte den Lieblings Wachauer von Karin extra für sie in den weinigen Abend eingebaut.  


2015 Pinot Noir Eichholz, Irene Grünenfelder, Jenins: Immer noch sehr dunkel mit lila Reflexen, im leuchtenden Granat. Kühlwürziger, erster Ansatz, Lakritze, Spitzwegerich Tabletten, Joschta Beeren, Holunder und Cassis. Dabei geht er erstaunlich in die Tiefe und zeigt nach ein paar Minuten veritable Terroir Aromatik und schiebt dabei Amarena Kirschen und Zimtnuancen nach. Im Gaumen floral, frisch, Thuja, Gewürznelken, Mocca und wieder schwarze Beerenfrüchte. Hoch aromantisches, langanhaltendes Finale. Insgesamt immer noch recht jung daherkommend. Das war Gabriels Abend-Favorit. Dementsprechend bemühte ich mich um ausreichende Genussmengen während den Essensgängen. 19/20 trinken (viel!) 

OHNE BORDEAUX GEHT ES NICHT


Zumindest bei mir. Zu einem schönen Weinabend mit Freunden gehören diese wunderbaren Weine dann halt schon dazu. Aber – ich kann auch gut ohne leben. Zumindest eine Zeit lang, bevor ich wieder lange Zeit bekomme. Zum Beispiel wenn wir in Teneriffa sind. Da geniesse ich mit viel Spass spanische Weine in allen Facetten. 


2015 Château Seguin, Pessac-Léognan: Leuchtendes Rubin-Purpur mit satter Mitte. Frisches, immer noch recht fruchtiges Bouquet, rote Kirschen, Himbeeren, Heidelbeeren, feine Kakaonoten, elegant ausladend. Im Gaumen füllig, feine Textur, reife Tannine und eine angenehme Adstringenz aufzeigend. Ein stetiger Bordeaux-Wert für intelligente Weinkäufer. Bereitet nicht nur einfach so Spass, sondern zeigt sich insgesamt ziemlich anspruchsvoll. Hauptpromoter für diesen Cru ist der Weinhändler Gerstl. Die Flaschen kosten – je nach Jahrgang – um die 50 Franken. 18/20 trinken

 

2015 Château Phélan-Ségur, Saint-Estèphe: Sattes, dunkles Granat. Wunderschön würziges, schon recht spontanes Bouquet; floraler Ansatz (Cabernet!), Heidelbeeren, Lakritze, Tabak. Gibt sich letzterem Eindruck recht tiefgründig. Im Gaumen stoffig, fleischig, satt mit konzentriertem Extrakt. Dunkles Beeren-Aroma in dem sich auch Sommertrüffel und schwarze Pfefferkörner finden. Ein grosser Bordeaux, der es ins Grand Cru Klassement schaffen würde! 19/20 beginnen


KÜHLER BARSAC AUS HEISSEM JAHR


In Sauternes ist es so, dass in heissen Jahren die Baracs eher wie Sauternes schmecken. Und die Süssweine aus Sauternes dann schon mit einem Bein fast im Tokaj stehen. Im Jahr 2003 war es so heiss, dass sogar die Weine aus Barsac an eine Beerenauslese erinnern …

 

2003 Château Climens, Barsac-Sauternes: 100% Semillon. Leuchtendes Gelb, goldene Reflexe. Süsses, opulentes Bouquet mit hellen Rosinen, Mirabellenkonfi, Honig, reifen Aprikosen und die gleichen Früchte auch in getrockneter Form anzeigend. Im zweiten Ansatz; findet sich ein Hauch von Safranfäden. Im Gaumen üppig und cremig. Fliesst wie ein göttlicher Nektar über die Zunge. Ein absolut gigantisches Finale einer grossartigen Wein & Gourmet-Party! 19/20 trinken  


Bild: Bärti und Robi m Süssweinfieber. 

Neuer Text


VEGA SICILIA IN ALLEN FACETTEN


An meinen ersten Kontakt mit einem Vega Sicilia kann ich mich noch genau erinnern. Das war vor schier fünfzig Jahren beim Weinhändler Schubi in Luzern. Dort degustierte jeweils recht teure Flaschen, welche ich aber mit Freunden gleich dort trank und immer bezahlte. Joseph Schumacher machte dabei Empfehlungen was grad noch so in die Runde passen würde. Einmal fragte er mich, ob ich einen Vega Sicilia verkosten möchte? Ich winkte ab; «ich hab’s nicht so mit den Italienern. Und wenn, dann eher Rotwein aus der Toskana als aus Sizilien!». Er korrigierte mich, indem er darauf hinwies, dass dies a.) ein roter Spanier sei und b.) die Nummer Eins. Also willigte ich ein … 


Heute bin ich um ganz viele Vega-Sicilia-Erfahrungen reicher. Aufgrund des Schubi-Kontaktes bot ich in der Folge ein paar Jahrgänge auf meiner Weinkarte im Restaurant Kreuz in Sempach an. Später wanderten diese Restflaschen in meinen Privatkeller. Als Einkäufer von Mövenpick durften wir den Vega Sicilia exklusiv für die Schweiz einkaufen und so reiste ich ein paar Mal ins Ribera del Duero zur Bodega Vega Sicilia. Diese liegt auf der Nationalstrasse 122 zwischen den Dörfern Quintanilla de Onésimo und Quintanilla de Arriba. Natürlich begegnete ich diesem noblen Spanier auch sehr oft an Raritäten-Weinproben. Im Jahr 2017 besuchte ich den Weingutsbesitzer Pablo Alvarez während unserer Töfftour. In Teneriffa bestelle ich ihn mir manchmal im Restaurant Meson Castellano. Dort kosten alle Vega-Editionen gleich viel wie bei uns bei den Schweizer Weinhändlern. Manchmal entkorke ich einen Vega bei uns an einem Sonntagabend, wenn Karin und ich grad Lust auf einen «spanischen Abend» mit Jamón und Manchego haben. 

Und jetzt hatte ich wieder einen intensiven Vega-Kontakt im eigenen Weinkeller. Aber nicht ich war der Lieferant, sondern der Old-Swiss House Wirt Philipp Buholzer. Er konnte ein paar möglicherweise mit Risiko behaftete Flaschen relativ günstig kaufen und beschloss, diese mit unserer Weinwandergruppe zu entkorken. 


INDIAN STATT DUCATI


Der Bündner Koch Beat Caduff ist in seiner Freizeit auch Motorrad Fahrer. In seiner Freizeit ist er mit einer flitzigen Ducati unterwegs. Zum Foto-Spass setzte er sich im W1 auf eine der drei Indian von Bärti Stocker. Das ist/wäre auch ein 1200er, aber halt wesentlich gemächlicher unterwegs …


Danach kochte er für uns ein herrliches Bündner-Menue. 


VALBUENA: DA IST MERLOT DRIN


Der «Zweitwein» von Vega Sicilia, heisst Valbuena. Die Produktion beträgt, über den Daumen gerechnet, in der Regel genau doppelt so viel wie vom Vega. Und die bleibt beharrlich knapp unter 200'000 Flaschen. Ausgebaut wird er in 75% französischen Barriques und 25% amerikanischen Eichenfässern. Der Wein selbst ist in der Regel ein Blend von etwa 95% Tempranillo und 5% Merlot. Also unterscheidet sich die Zusammensetzung immer vom Vega-Sicilia. Dort ist nämlich immer ein Quäntchen Cabernet Sauvignon als «Beilage» drin. 


2004 Valbuena Bodegas y Vinos Vega-Sicilia: Unglaublich dunkel, fast Schwarz in der Mitte. Fettes, laktisches, schwersüsses, pflaumig-schokoladiges Bouquet, viele Dörrfrüchte, Aromen von Rumtopf, Grafit, Lakritze. Gaumenfüllender Körper. Der Wein fliesst wie eine Weincreme über die Zunge, Rosinen, Feigen, Malz und flüssige, dunkle Pralinen, gebündeltes, geballtes Finale. Jetzt in voller Reife. Man spürt in seinem Reichtum den riesengrossen Jahrgang. 18/20 austrinken


KÖNIGLICHER ROTWEIN


Der spanische König Juan Carlos hat eine Vorliebe für verschiedene Weine, insbesondere für spanische Weine. Ein Wein, der oft mit ihm in Verbindung gebracht wird, ist der Vega Sicilia. Er hat das Weingut bereits mehrere Male besucht.  


GETEILT DURCH ZWEI


Gemeinsam verkosten ist eine schöne Sache. Manchmal ist es fast noch schöner, wenn man eine gute Flasche Wein nur durch Zwei teilen muss. Und man davon allenfalls «etwas mehr als die Hälfte» bekommt. So geschehen zwei Tage nach unserem, Weinwander-Vega-Sicilia-Abend. So zusagen als Vorbereitung für die nahenden Teneriffa-Ferien ...


1998 Unico, Vega Sicilia: Sattes Weinrot mit gewissen Reifetönen. Berauschendes Bouquet. Erst viel Pflaumen, dann Sandelholz, dann dunkle Pralinen und darauf immer kräutriger werdend. Spuren von fernöstlichen Gewürzen und exotischen Hölzern, aber auch heimische Küchenkräuter schwingen da mit. Danach folgen Konturen von hellem Tabak. Das Nasenbild ist opulent und weit ausladend, ohne fett zu wirken. Im Gaumen zeigt er eine fantastische, facettenreiche Tempranillosüsse, Gianduja-Schokonoten, Caramel, Feigensirup und rote Beeren. Durch seine wunderbar verpackte und doch gut stützende Säure, wirkt der noble Körper unglaublich lang. Gehört sicherlich zu den grossen Jahrgängen. Wobei der Vega ja eigentlich immer gross ist, wenn «Unico» draufsteht. Denn sonst wird er gar nicht erst produziert. Im Inventar steht er mit 290 Franken. Das günstigste Helvetia-Angebot liegt über 600 Franken. Dazu assen wir Steaks vom Farnsburger-Bison-Rind. Was für ein genüsslicher Abend! 19/20 trinken     


RIOJA HINKT MITTLERWEILE SEIT GENERATIONEN HINTEN NACH


Die älteste und bekannteste Weinregion Spaniens schafft es einfach nicht superteure Rotweine im Markt zu etablieren. Durch die Präsenz vom Vega Sicilia gab es in der Rioja-Preis-Geschichte immer einen wesentlich teureren Rotwein ausserhalb der Region. 

 

Aber, auch die besten Weine aus Rioja sind in den letzten Jahren nicht günstiger geworden. Und es gibt ein Gerangel um die Hierarchie. Die teuersten werden nicht immer am besten bewertet. Was auch für den Geniesser wichtig ist; es gibt Klassiker im alten Stil und Modernisten mit viel Eicheneinsatz. 


Was schon lange nicht mehr wichtig ist; ob es sich um einen Reserva oder Gran Reserva handelt. Es gibt mittlerweile «ungünstige» Crianzas oder teure Botellas, welche ganz ohne Bezeichnung im Markt mit dem Preis glänzen. 


Die Weinzeitschrift Falstaff hat grad kürzlich eine Verkostung der allerbesten publiziert. Hier der Link zum Bericht. Sie werden beim Lesen staunen; der einzige 100-Punkte Star ist ein Weisswein. (Bild). Er hat zwar schon ein paar Jahre auf dem Buckel, wird aber erst reif lanciert. Und – man kann/könnte ihn kaufen. Und – er hält mit den teuersten Rotweinen aus Spanien mit. Und – er ist sogar bei Weitem der teuerste Rioja. Der 1986 Castillo Ygay Blanco Gran Reserva Especial kostet bei Mövenpick 1080 Franken. 


KARINS WEISSER SPANIEN-FAVORIT


Karins meistgetrunkener Spanier ist ein Weisswein! Davon bestelle ich jeden Frühling eine ganze Palette. Natürlich nicht nur für Karin, sondern auch für mich und unsere Freunde. Die fahren mittlerweile auch auf diesen unglaublich fruchtig-frischen, knackigen Rueda-Sauvignon Blanc ab. Er heisst Finca la Collina. Damit meine ich nicht den Single Estate (CHF 24.70), sondern den normalen. Der ist um die 16 Franken zu haben. Im Ecxel-Weininventar wird er nicht mutiert. Er gilt bei uns als «Durchlauferhitzer» … 




POMEROL, JAHRHUNDERTJAHRGANG 1998


24 Crus vom legendenhaften Pomerol-Jahrgang 1998 wurden am Samstagabend, 8. März 2025 bei Werner Tobler im Bacchus Hildisrieden entkorkt. Es war fast schon ein Volksfest, denn kleine wie grosse Weingüter boten schier hemmungslosen Genuss.

1998 Château La Pointe, Pomerol

1998 Château Clinet, Pomerol

1998 Clos du Clocher, Pomerol

1998 Château Gazin, Pomerol

1998 Château La Fleur-Gazin, Pomerol

1998 Pensées de Lafleur, Pomerol

1998 Château Beauregard, Pomerol

1998 Château Grave Trigant Boisset, Pomerol

1998 Château Petit Village, Pomerol

1998 Château Lagrange, Pomerol

1998 Clos L'Eglise, Pomerol

1998 Château La Croix , Pomerol

1998 Château Latour a Pomerol, Pomerol

1998 Château L'Evangile, Pomerol 

1998 Château Le Moulin, Pomerol

1998 Château Mayne René, Pomerol

1998 Château Rouget, Pomerol

1998 Château La Fleur de Gay, Pomerol

1998 Château Le Gay, Pomerol

1998 Vieux Château Certan, Pomerol

1998 Château Lafleur, Pomerol

1998 Château L'Eglise Clinet, Pomerol

1998 Château Trotanoy, Pomerol

1998 Château La Fleur-Petrus, Pomerol (J)


Der grosse Gabriel PDF-Bericht


Nun war der grosse Tag für die Crus vom Jahrgang 1998 aus Pomerol gekommen. 


Am Samstag, 8. März 2025 betrat Hobby-Sommelier Robi Hocher (Bild, oben) den Gabriel-Weinkeller. Die Flaschen hatte ich schon mehrere Tage zuvor auf den Tisch gestellt, damit sich das Depot setzen konnte. Das geht dann leichter zum Dekantieren. 


Robi hantierte im Keller und ich degustierte die Weine nach und nach oben am Computer. So sammelte mir erste Eindrücke, welche ich am Abend nachjustierte. Daraus entstand ein Langzeiteindruck, was für die Bestimmung der Genussreife sehr wichtig ist. 



Ein paar Tage vor der grossen 1998er-Probe mailte ich noch mit Jean-Baptiste Bourotte Bild) für einen Besuch im Herbst mit einer kleinen Truppe. Ich teilte ihm mit, dass wir am Samstag einen Clos du Clocher entkorken würden. Als Insider informierte er mich, dass die weniger attraktive Parzelle Monregard La Croix bei diesem Jahrgang erstmals nicht mehr verwendet wurde. 

  

1998 Clos du Clocher, Pomerol: Mittleres Granat, immer noch sanft rubine Reflexe zeigend. Intensives, würziges, sanft pfeffriges Bouquet, Red-Currant-Pastillen, Damassine Pflaumen. Burgundischer Gaumenfluss, auch hier zeigt der Wein immer noch Frische und rote Fruchtaromen, sehr angenehmes Finale. Eine Art Pomerol-Chambertin. Immer noch sehr angenehm zu geniessen. 17/20 austrinken


SCHLAFEN AUF BEAUREGARD


Da habe ich auch schon mit einer kleinen Gruppe geschlummert. Es gibt auf Château Beauregard fünf schmucke Zimmer. Mehr Informationen: www.chateau-beauregard.com. 

Den Wein von Beauregard kenne ich auch bestens und ich liebe ihn. Kein grosser Pomerol, aber eine saftig, burgundische Variante mit leicht laktischem Walderdbeeren-Geschmack. Der macht nicht satt, sondern süchtig! Die 17.5 Hektaren sind mit 70% Merlot und 30% Cabernet Franc bepflanzt. 

Seit 2020 gehört auch das benachbarte Château Petit-Village zum gleichen Besitz der Investorengruppe Ginette Moulin, (auch Mehrheitsbesitzerin der Galeries Lafayette).  

  

1998 Château Beauregard, Pomerol: Mittleres Granat, feiner Rand aussen. Offenes, ausladend, parfümiertes Damassine-Pflaumenbouquet, wunderschöne Merlot-Würze im sehr ansprechenden Nasenbild zeigend. Eine minim laktische Nuance (Waldbeeren-Jogurt) rundet das Bouquet ab. Samtener Gaumen, charmantes Extrakt, traumhaft balanciert, ansprechendes wiederum waldbeeriges Finish. Da nimmt/nähme man gerne ein zweites Glas davon. Wer reifen, grossen, günstigen Pomerol geniessen will, sollte danach suchen. 18/20 trinken


DIE WEINE VOM LINKEN UFER? 


Die Weine vom rechten Ufer, insbesondere aus Pomerol und Saint-Emilion, lieferten die besten Weine vom Jahrgang 1998. Nur in diesen beiden Appellationen wurden diverse Crus von mir als Jahrhundertweine, mit 20/20 taxiert. 


Acht Weine vom linken Ufer (also Graves und Médoc) erreichen bei mir heute noch 19/20. 

So Mission, Haut-Brion, Margaux, Palmer, Lafite, Mouton, Léoville Las-Cases, Ducru-Beaucaillou. Mein bester Genuss-Value; 1998 Château Sociando-Mallet. Es lohnt sich nach diesem hervorragenden Haut-Médoc noch zu suchen. 

 

P.S. Auf meiner Weinsuchmaschine www.bxtotal.com kann man einfach nur den Jahrgang eingeben (siehe Bild). Dann erscheinen rund 500 bewertete Weine mit den Wertungen auf dem Suchbild. Mit einem Klick kommt man direkt zu den Degustationsnotizen!


WAS MEINT MAN MIT TRINKFLUSS?


Während dieser Begriff bei Schweizer Weinliebhabern wenig bekannt ist, gilt der Begriff «Trinkfluss» in Österreich fast als Standard, wenn es darum geht einen besonders süffigen Wein zu deklarieren. Was allenfalls partiell möglicherweise als dekadent anmuten kann. Dabei wurde praktisch derselbe Begriff von Christian Moueix oft zitiert. «Nous faisons des vins de soif». Will heissen, man bekommt fast Durst beim Genuss, weil der Wein einfach so herrlich zu trinken ist! Wir haben mit Gruppen während den Bordeaux-Reisen im Annexe de Pétrus sehr ab und zu einen Latour à Pomerol beim Lunch serviert bekommen. Und oft musste Nachschub entkorkt werden. Warum? Wegen dem Trinkfluss …  


1998 Château Latour 

à Pomerol, Pomerol: Mittleres Weinrot, relativ wenig Reifetöne anzeigend. Intensives, tiefgründiges Bouquet; süsse, reife Pflaumen, Brombeeren, Heidelbeeren, Lakritze und erste Trüffel-Terroir-Nuancen. Sehr ansprechend, ja fast süchtig machend im Ansatz. Im langen Gaumenfluss obersaftig, seidiges Extrakt und wieder hoch aromatisch von Beginn bis hin zum beeindruckenden Finish. Letzteres ist mit Cassis und Black Currant Noten ausgestattet. Hemmungsloser Bordeaux-Genuss auf höchstem Niveau. Wow! 19/20 trinken


KLEINES, UNBEKANNTES BIJOU


Das Weingut (Produktion ca. 10'000 Flaschen jährlich) ist mit nur zwei Hektar sehr klein. Die Bepflanzung; 80% Merlot, 20% Cabernet Franc.


Die Vinifikation ist sehr modern. Nach dem Vergären macht der Wein seine malolaktische Gärung in neuen Barriques. Dann wird er nochmals in neue Eichenfässer gelegt. Somit ist der Wein jung meistens üppig und röstig. Und auch in seinem Alter versprüht er eine eichige Vinifikations-Erotik. Durch seine leidlich beschränkte Verfügbarkeit gibt es nur wenig Angebote in der Schweiz.  


Webseite: Château Le Moulin à Pomerol


1998 Le Moulin, Pomerol: Dichtes Purpur, praktisch keine Reifetöne vermittelnd. Offenes, schokoladiges Bouquet, mit schönen Röstnoten unterlegt, Dörrfrüchte (eingedickte Birnen und getrocknete Feigen), homogen ausladend. Im Gaumen hoch aromatisch, schwarze Schokolade, Pumpernickel Brot, Mocca und wieder Dörrfrüchte. Fällt auf und weiss zu gefallen. Im Jahr 2018 habe ich für eine grosse Gesellschaft eine 18-Liter Melchiorfalsche 1998 geöffnet. War damals schon «geil». Ein Pomerol mit viel Erotik. 18/20 trinken  


OHNE CABERNET FRANC


Auf der offiziellen Weinguts-Webseite www.vieuxchateaucertan.com wird der aktuelle Rebsortenspiegel auf der 14 Hektar grossen Domaine mit 70% Merlot, 25% Cabernet Franc und 5% Cabernet Sauvignon angegeben. Beim Jahrgang 1998 wurden die Cabernet-Franc-Chargen gänzlich in den Zweitwein (La Gravette de Certan) deklassiert. Somit besteht der Grand Vin ausnahmsweise aus 90% Merlot und 10% Cabernet Sauvignon. 

 

1998 Vieux Château Certan, Pomerol: In der Mitte Sattes, noch jugendliches Purpur. Feinwürziges, extrem vielschichtiges Bouquet, geniale, defensiv süssmalzige Kräuternuancen (Ricola). Macht mehr auf Würze und Terroir wie auf Frucht. Im zweiten Ansatz; Lakritze, dunkles Malz und fermentierter, nobler Tee (erinnert mich an den Besuch einer Teefabrik auf Sri Lanka). Im Gaumen mittelgewichtig, noch jung, aber doch mit sehr feinen Tanninen aufwartend, langes, erhabenes Finale. Kein lauter Pomerol. Man muss ihm entgegengehen. Ein Erlebnis für Musse-Stunden. Er zeigt seine wirkliche Grösse am besten, wenn man ihn ohne Vergleich geniesst. 19/20 trinken   


1998 Château L'Eglise-Clinet, Pomerol: Immer noch sattes, dunkles Purpur mit violettem Schimmer. Obwohl er sich zu Beginn noch ziert, beginnt er doch gleich mit einem gigantischen Traumbouquet, Waldhimbeeren, frische Himbeeren, gefriergetrocknete Himbeeren, just geschnittene Himbeerstauten, frisch abgekochte, erkaltete Himbeeren-Konfitüre mit den Kernen, Edelhölzer, dominikanischer Tabak, geröstete Nüsse, Rooibos Tee, Edelpralinen. Nach ein paar Minuten; Kreuzkümmel und Muskatwürze. Bereits nasal ist dieser Eglise-Clinet eine Sensation! Im Gaumen dicht, feinfleischig, immer noch adstringierend, im Extrakt auch noch weitere Gerbstoffresten für morgen und übermorgen aufzeigend. Von der Fruchtpräsenz her gibt er sich auch hier vorwiegend im tendenziell rotbeerigen Bereich, weiss aber auch gegen das Finale mit etwas Cassis und schwarzen Kirschen zu begeistern. Er hat noch viel Kraft und deshalb scheint die effektive Genussreife noch nicht ganz erreicht. Ein Kraftakt, der an die alten legendären Jahrgänge von diesem Weingut erinnert. Die Weinhandlung Arvi bietet die Magnum von diesem Wein für unter 1000 Franken an. Das wäre eine gigantische 

Genuss-Investition, 20/20 trinken   


P.S. Für meine Karin war dies der Wein des Abends. Ich selbst konnte mich nicht zwischen meinen 20-Punkteweinen entscheiden. 


1998 Château La Fleur-Petrus, Pomerol: Jéroboam. Extrem dunkles, immer noch mit violettem Schimmer durchzogenes Purpur. Schon fast extrem konzentriertes Bouquet. Dieses zeigt sich jung und öffnet sich nur ganz langsam. Die Frucht wirkt wie ein Nektar und zeigt alle Farbfacetten von Beeren. Von Rot über Blau bis Schwarz. Also Waldhimbeeren, Kirschen, Maulbeeren, Brombeeren und Cassis. Und noch ein Dutzend weitere Früchte, wären da wohl auch noch zu finden. Dunkle Edelhölzer, schwarze Pralinen, Lakritze und ganz feine Terroir-Trüffelnoten. Im Gaumen füllig, fleischig, stoffig, dicht gewoben und immer noch eine gewisse Adstringenz mit noch verlangenden, minim kernigen Tanninen zeigend. Gut stützende Muskeln und Säure, gigantisches Finale. Hier könnten die normalen Flaschen allenfalls momentan präsenter sein als die Grossflasche. Wobei der Luftkontakt ein genussbringender Faktor war. Zeigt auf, dass die zweite Liga im Pomerol manchmal auch First Class sein kann. 20/20 trinken    


Auch der Trotanoy wurde mit 20-Gabriel-Punkten taxiert. Die ganze Story auf 13-PDF-Seiten: www.bxtotal.com




«ALL IN» FÜR MAGNUM-LEGENDEN 

Never before and never again! So sah das «Wein-Menu» der gigantischen Magnum-Probe vom Samstag, 1. März 2025 im Zunfthaus zur Waag in Zürich aus …

• 1929 Château Cheval-Blanc, Saint Emilion

• 1934 Château Haut-Brion, Graves

• 1945 Château Mouton-Rothschild, Pauillac 

• 1947 Château Mouton-Rothschild, Pauillac 

• 1948 Château Pétrus, Pomerol

• 1949 Château Haut-Brion, Graves

• 1953 Château Haut-Brion, Graves

• 1953 Château Pétrus, Pomerol

• 1953 Château Mouton-Rothschild, Pauillac 

• 1959 Château Haut-Brion, Graves

• 1961 Vieux Château Certan, Pomerol 

• 1961 Château Mouton-Rothschild, Pauillac

• 1961 Château Cheval Blanc, Saint-Emilion 

• 1961 Château Pétrus, Pomerol

• 1970 Château Pétrus, Pomerol

• 1974 Martha’s Vineyard Heitz, Napa 

• 1982 Château Pétrus, Pomerol

• 1982 Château Latour, Pauillac

Der Magnums nicht genug, entkorkte der Organisator Jürg Richter zum Finale eine rare Imperialflasche vom 1928 Château La Tour-Blanche! Aus Sauternes. Woher denn sonst?


Mit «All in» wird beim Gaming ausgedrückt, dass man ab jetzt alles gibt, um seinen Sieg zu sichern. Ähnlich wie beim Poker steht der Ausdruck für «Alles oder nichts» und bedeutet, dass man auf Risiko spielt. An der Magnum-Legenden-Verkostung entkorkte Weinfreund Jürg – zusammen mit Sommelier Robi – ab 10 Uhr morgens die allerbesten oder zumindest teuersten Magnumflaschen aus seinem gut bestückten Weinkeller. Und wie das beim bereits erwähnten Pokern der Fall ist, gehört das Risiko zu einem kalkulierbaren Anteil. 


Und dieses war, dank fürs Alter perfekten Füllniveau der Magnums in diesem Fall, sehr klein. Um es wieder in der Pokersprache auszudrücken, für eine mögliche Definition des Erlebten zu präzisieren: «Der Magnum Abend war ein veritabler Royal-Flash-Genuss!»


Oder noch anders. Der Superlativ und Mehrzahl (also Superlative) darf hier ohne Effekthascherei fraglos angewendet werden. Und zwar im bildungssprachlichen Sinne. Damit meint das Oxford-Wörterbuch übersetzt: «Etwas, was zum Besten gehört und nicht zu überbieten ist. Eine Veranstaltung der Superlative!» 


GARANTIE STATT NUR BONUS


Es gibt in der weinigen Umgangssprache den Begriff «Magnum-Bonus». Damit wird in erster Linie angedeutet, dass sich ältere bis sogar sehr alte Weine in den «etwas grösseren Formaten» besser halten, respektive im Vergleich mit gleichaltrigen Normalflaschen sich nach ein paar Lagerdekaden in der Regel jünger präsentieren. 


Dieser «Magnum-Bonus» war an diesem Abend fraglos vorhanden. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Aufgrund der angetroffenen Genuss-Qualitäten könnte man hier sogar eine recht zuverlässige «Magnum-Garantie» deklarieren. 


1934 Château Haut-Brion, Graves: Magnum. Braun-Schwarz in der Mitte, aussen zeigt er einen minimen, ziegelroten Rand. Er legt gleich los mit einem absolut grossartigen Bouquet. Dabei geht es um eine Bandbreite von Baumnussschalen, kaltem Rauch, Guinness-Bier, Kräuterlikör, Averna und dunklem Malz, sowie kaltem Mocca in einem verschwenderischen Umfang. Dann kommt die Süsse an die Oberfläche. Diese erinnert an einen legendären Port in Richtung Quinta do Noval Nacional. Im Gaumen fest, markant, konzentriert, fleischig, dunkel gedarrtes Gerstenmalz im satten Extrakt. Formiert sich zu einem gigantischen Finale, welches wieder Aromen von einem grossen Port appliziert, dann kommt hier noch kalter Rauch dazu und eine unterirdische Mischung aus Ratafia-Likör und Fernet-Branca. 20/20 austrinken


André Kunz (Bild) mit seinem Tagesfavorit, 1934 Magnum. Wer hätte da gedacht, dass die Wahl bei ihm auf einen Haut-Brion fällt. 😉 


1945 Château Mouton-Rothschild, Pauillac: Magnum. Eine auf dem Weingut vor vielen Jahren re-konditionierte Flasche. Die Farbe ist in der Mitte fast immer noch Schwarz und zeigt gegen aussen, nebst minimen Reifetönen,  auch noch gewisses Jugendreflexe mit Spurenelementen von einem Hauch Violett! Gigantisch süsses Bouquet. Im ersten Moment kommt einem von der nasalen Absorbierung da ein grosser Napa Wein in den Sinn. Was angesichts des gigantischen Aromen-Aufkommens absolut keine Beleidigung ist. Es geht so in Richtung Eucalyptus, wildem Rosmarin und Origano, Malz, Leder, Tabak und Dörrfrüchten aller Art (Pflaumen, Feigen, dunkle Rosinen). Es ist aber auch diese dramatisch reife Cabernet-Süsse, welche wie ein gigantischer «Pauillac-Urmeter» daherkommt. Im Gaumen komplex und komplett gleichzeitig, mundfüllender, «Rubens-Körperbau». Alles ist cremig und reif und so sind die immer noch präsenten Tannine mit einem Fettmantel umgeben, gigantisches Finale, bestückt mit; Schoko-Minze, Cassis, Cassis-Likör und dunklem Caramel. Ein absolut dramatischer Bordeaux, der die Sinne zu berauschen weiss und ein exorbitantes Glücksgefühl aufkommen lässt. Eine junge Magnum. Von einem 70jährigen Wein. So muss «Best-of-Bordeaux»!!! 20/20 trinken

SWEET AS BROADBENDT


Er war mein Vorbild! Als meine Weinliebe begann, gab es noch wenig zuverlässige Beschriebe von reifen Bordeaux Weinen. Ausser bei Michael Broadbendt. Sein Buch «Weinnotizen» verschlang ich richtiggehend und die Beschreibungen weckten in mir die Sehnsucht nach reifen Bordeaux Weinen. 


Diese hält bis heute an. Ich durfte den englischen, humorvollen Grandseigneur an Raritätenproben kennen lernen. Was mir bei seinen Notizen auffiel, war das nicht selten anzutreffende Wort «sweet». Besonders bei den heissen Jahrgängen. 


Eine solche, effektiv wahrgenommene Süsse wird es bei den neueren Jahrgängen nie mehr geben. Warum? Heutzutage werden überreife Traubenbeeren in einer optischen Triage ausgesondert. Damals kamen nicht wenige Rosinen in den Gärbottich. Diese wurden dann bei reifen Weinen fast logischerweise als «sweet» wahrgenommen.


LANGE VOR PETRUS


Bevor Château Pétrus zu seinem, nicht mehr einholenden, Höhenflug ansetzte, galt der Vieux Château Certan als bester Pomerol!


1961 Vieux Château Certan, Pomerol: Magnum. Die hellste Farbe in dieser Dreier-Serie, deutlich aufhellendes, etwas mattes Granat, wässriger Rand. Offenes Bouquet, Néscafe Gold, rote Sauerkirschen, heller Tabak, wirkt trotzdem frisch und zeigt viel getrocknete Bergkräuter. Im zweiten Ansatz Curcuma und Madras-Curry, vermischt mit einem leichten, bekömmlichen Duft von Verdelho Madeira. Burgundische Nuancen (Clos de la Roche, Dujac). Im zweiten Ansatz; Stielwürzaromen, kalter Rauch und Earl Grey Tee. Im Gaumen für einen 1961er eher schlank anmutend, gut stützende Säure, feiner Körper, lang und elegant. Etwas für Finessen-Geniesser. Kein lauter Wein der nicht zum sonst generell kräftig daherkommenden 1961er- Jahrgang passt. Eine Muse im Glas. Am besten ist er wohl, wenn man ihn mit nichts anderem vergleicht. Eine leise Magnum in einem lauten Saal! 20/20 trinken


ÜBER ALLEN ERWARTUNGEN


Im immer lauter werdenden Saalgemurmel stellte einer der Tischnachbarn am Schluss die Frage: «Und …. welcher Wein hat Euch jetzt am besten gefallen?». Für eine Raritätenprobe ist eine Rangliste ein schlechter Motivator. Damit werden automatisch Verlierer generiert. Ähnlich einem Pferderennen setze ich hier immer auf Platz und nicht auf Sieg. Es ist halt eine Liga, in welcher verdienterweise mehrere Weine gleichwertig honoriert oder taxiert werden. Müsste ich jetzt zwingend Podestplätze verteilen, diese unglaubliche Pétrus-Magnum wäre ganz sicher dabei …


1961 Château Pétrus, Pomerol: Magnum.   Zwar gegen aussen deutliche Brauntöne zeigend, in der Mitte immer noch sehr, sehr dunkel. Linzertorte, Himbeerenstauden und frische Himbeerenkonfitüre. Weiter; Caramel, kandierter Ingwer, Pralinen, Kokos Raspel, Spekulatius Gebäck, Sandelholz, gebündelt, dicht, konzentriert. Kurz zusammengefasst; ein Bouquet zum Ausflippen. Nach ein paar Sekunden folgen ein unglaublicher Kräuterreigen; blühender Kapernbusch, Minze, Eisenkraut und Eucalyptus. Dann übernimmt wieder die noch erstaunlich präsente Frucht; Cassis, Holunder, Joschta-Beeren mit einer Mischung von Black und Red-Currant-Pastillen. Der Gaumen überbordet mit einer gigantischen Fülle. Die Plenitude einer gigantischen Merlot-Kombination! Stoff, fleischig und eine dramatische Süsse vom Extrakt her ausstrahlend. Dies bei einer ebenso immer noch beeindruckenden Konzentration. Bei allen bisher verkosteten Pétrus-Jahrgängen habe ich noch nie eine derartig umwerfende Aromen-Explosion erlebt. Dabei überlegte ich mir, ob ich neu für die allerbesten Magnum meines Lebens nicht gar ab sofort eine Bewertung von 40/40 einführen sollte. Und als ich so sinnierte füllte sich mein Gaumen nochmals mit diesen unbeschreiblichen Aromen auf. Eine Stunde zuvor durften wir drei andere 1961er geniessen. Auch gigantisch. Bei diesem Pétrus war auch noch dieses gewisse «Surplus» im Spiel. Ich definiere das mit einem nicht erklärbaren «Überdrüber». Was ist die Fortsetzung von Jahrhundertwein? Jahrtausendwein? Nach dieser sagenhaften Magnum wurde es laut im Saal. Die Stimmung schien mehr und mehr freudig zu überborden. 20/20 trinken, träumen, taumeln …


DIE ANGST, GROSSEN WEINEN NOCHMALS ZU BEGEGNEN


Dank meinem Elefantengedächtnis kann ich praktisch jedem grossen Wein frühere Erinnerungen abrufen. Nach meinem stets getreuen Motto ist «Genuss die Erfüllung einer Vision»! Eine Vision ist nicht mit einer generellen inflatierenden Erwartungshaltung gleichzustellen. Auch hier «arbeite» ich immer nach dem Motto: «Erwarte nicht zu viel, dann wirst Du nicht enttäuscht». 


Dass eine Magnum in der Regel gegenüber einer normalen Flasche wohl länger Genuss bietet, kann als mögliche Genuss-Renaissance gewertet werden. Das schürt beim Anblick auch wieder eine partielle Erwartungshaltung. 


Bevor ich einen mir bekannten Wein möglicherweise zum x-ten Mal verkoste, stelle ich mir vor, was mich da erwarten könnte. Der Rest ist dann Lust oder Frust. Lassen wir mal den Negativ-Fall aus dem Spiel und nehmen das positive Paradebeispiel. Die Farbe stimmt. Altersgemäss. Dann führst Du das Glas an Deine Nüstern. Du nimmst den Duft auf und lässt die nasalen Aromen tanzen. Die Vorfreude auf einen Schluck des legendären Nektars steigt. Im Gaumen angelangt, macht man etwas Druck auf den Zungenteppich und presst den Wein in die Papillen. Dann öffnet man den Mund und lässt Luft über die aufsteigenden Duftmoleküle und memorisiert die daraus entstandene Primär-Aromatik. Dann verschliesst man den Mund, lässt den Kopf leicht nach vorne fallen und öffnet den Mund minim, um in der Folge kurz die Flüssigkeit zu schlürfen. Jetzt multiplizieren sich die Aromen und die leichten Bestandteile der Würzstoffe vermischen sich mit den schwereren Bestandteilen. Ein individuelles Parfüm des betreffenden Weines entsteht. Während die Flüssigkeit den Weg ans Ende der Zunge sucht, wandern die duftigen Bestandteile über den retronasalen Weg direkt zu den Riechzotten ins Gehirn. 


Wenn man alles richtig gemacht hat, werden in der Folge Dopamin und Endorphine aktiv. Durch das so im Körper entstehende Dopamin werden positiv assoziierte Reize freigesetzt. Endorphine führen zu einem entspannten bis ausflippenden Wohlgefühl. Dafür braucht es Training, Können, Respekt, Hingebung und eine gewaltige Ration Demut. 


Rolf Tucholski schrieb einst: «Schade, dass man Wein nicht streicheln kann». Er lag falsch. Mann kann! 


A CLASS OF ITS OWN


Eigentlich passt ein Napa-Wein ganz und gar nicht in ein solches Magnum-Tasting. Ausser es geht um wirkliche Raritäten. Und die aller-allerbesten Rotweine der Welt …


1974 Cabernet Sauvignon Marthas Vineyard, Heitz, Napa Valley: Immer noch recht dunkel, zeigt aber die zu ihm passende Reife mit dezent bräunlichen Nuancen im präsenten Rot. Von der Nase her hatte ich gewisse Erwartungen. Die stammten von in den letzten Jahren getrunkenen, normalen Flaschen. Hier wurde das Ganze wieder, wie zu früheren Bestzeiten, angetroffen. Viel Malz, viel Eucalyptus und viele andere Kräuter. Pflaumen in gekochter wie auch getrockneter Form. Erdbeerengelee, Hagebuttenmarmelade und Edelhölzer, sowie auch Zedern im weit gefächerten, parfümierten Duft. Komplexer Gaumen, noch fein stützende Tannine- und Säuremuskeln zeigend. Aromen von Kandis, dunklem Caramel, Malz und enorm viele Rosinen, welche Süsse applizieren, aber nicht so arg vermitteln. Im Finale katapultartig lang. Wobei sich sämtliche Aromen nochmal zu multiplizieren scheinen. Es gibt viele frühere Eindrücke von diesem Wein welche locker auf 20/20 kamen. Diese Magnum hier formiert sich zum bisherig allerbesten Eindruck von dieser verdienten Napa-Legende! 20/20 trinken


P.S. Wir genossen an diesem Abend die Nummer 389. Eine Magnum – von total 1'200.



EINE IMPERIAL FÜR 48 PERSONEN

 

Jürg Richter mit sechs Litern Château La Tour-Blanche 1928! Dadurch, dass nicht nur volle Plätze im Angebot standen, sondern auch die Möglichkeit gegeben war, mit einem Partner oder einem Weinfreund zu teilen, sass die Gesellschaft an einem ziemlich laaaaaaaangen Tisch. Bei der finalen Imperiale bekam dann jeder Gast ein sehr gut gefülltes Glas. Mit Nachschlag. Wer von dem Gebrauch machte, kam in der Folge locker auf ein «Zweierli».   


1928 Château La Tour-Blanche, Sauternes: Imperial. Dunkles Gold mit bräunlichen Reflexen, am Rand Orange aufhellend. Offenes, hell malziges Bouquet. Im ersten Moment mehr Würze wie Süsse aufzeigend; kandierte Früchte, Bitterorange, getrocknete Papaya und dunkle Rosinen. Im zweiten Ansatz Curcuma, ja sogar ein Hauch Curry und Malmsey-Madeira vermittelnd. Zeigt nasale Rasse. Im Gaumen wirkt er minim süss, halbcremig, zeigt Aromen von Gelatine, Brottrunk und wiederum ein verführerischer Hauch von Madeira. Mittelgewichtiger Gaumen mit ziselierter, gut verteilter Säure. Für Jürg war es vom Stil her eher ein Barsac wie ein Sauternes. So oder so; eine unglaublich rare Grossflasche. 19/20 austrinken 



Das Foto zeigt einen silbernen Karaffen Anhänger von Château Pétrus. Den bekam ich einst von Christian Moueix geschenkt. Jetzt ist er im Besitz von Jürg Richter. Als Dank für unglaublich viele besonders schöne, gemeinsame Weinerlebnisse!


1959 BORDEAUX MIT FLASCHENPOKER


Beim Kauf von sehr alten Weinen ist das Flaschenrisiko ein ständiger Begleiter. Manchmal hat man Glück. Auch bei niedrigeren Füllständen. Manchmal hat man halt Pech. Auch bei gegen aussen vermeintlich perfekte Bouteillen. 


Beim langlebigen Latour gibt es nicht wenige Beispiele, bei dem ein schwieriges Füllniveau kein Handicap war. Im Gegenteil sogar. Während sich noch perfekt befüllte Flaschen immer noch stoisch verschlossen zeigten, kamen Jahrgänge mit hoher, manchmal sogar mittlerer Schulter besser rüber. In wenigen Fällen waren auch Flaschen mit extrem schlechtem Füllstand noch sehr beindruckend. So ein 1878 Lagrange, welchen ich einst auf das Weingut nach Bordeaux mitnahm. 


Bei unserer mittwochigen GAMÜSTOBÄ-Freundschaftsrunde entkorkte Bärti Stocker vier Bordeaux’ von seinem Geburtsjahrgang 1959. Die Füllniveaus sind oben auf dem Titelbild klar ersichtlich und bei meinen nachfolgenden Verkostungsnotizen nochmals exakt beschrieben. 


Auf den ersten Blick hätte ich hier das Beeinträchtigungsrisiko relativ gering eingeschätzt. Nach dem Motto: «Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam noch Pech dazu» hielt sich der Genussspass dann aber leider doch ziemlich in Grenzen. Dass ausgerechnet die Hanappier-Peyrelongue-Händler-Abfüllung vom 1959er Château Calon-Ségur das Rennen machen würde hätte ich, als ich das Foto der vier Flaschen im Keller knipste nie gedacht.  


1959 Château Calon-Ségur, Saint-Estèphe: Händlerabüllung Hanappier Peyrelongue. Füllstand; obere Schulter. Mittleres Weinrot mit ziegelroten Reflexen. Süsses, pflaumiges Bouquet welches mit Tabak und dunklen Rosinen durchzogen ist. Immer noch intakt und den heissen Jahrgang nasal so richtig anzeigend. Auch im Gaumen zeigt er eine Süsse. Diese fühlt sich aber trockener an, als in der Nase und vermittelt eine Nuance Port. Die Endreife wurde da wohl schon vor Jahrzehnten erreicht. Und trotzdem lässt sich diese Händerfüllung als Essbegleiter noch sehr schön geniessen. 17/20 vorbei 

UNERWARTETES FLASCHENPECH


Wie schon erwähnt ist eine nicht ganz optimal befüllte Flasche von einem grossen Latour-Jahrgang eine sonst relativ sichere Bank. Diesmal reicht es leider doch nicht ganz …


1959 Château Latour, Pauillac: Füllstand; mittlere bis obere Schulter. Die Farbe fast noch Schwarz und immer noch violette Reflexe anzeigend. Nebst einer gewissen Anzeige von Oxidation sind da reichlich sind grossartige Terroir-Reflexe vorhanden. So in Richtung Cohiba, Périgord-Trüffel, dunkles Malz, Ratafia-Likör, Nuss-Schalen und waldige Baumstämme. Im zweiten Ansatz schwingen da noch viel Kräuter mit und irgendwie erfrischt sich dabei das Nasenbild. Kommt dabei nahe an das Erwartungs-Idealbild einer Erwartungshaltung heran. Im Gaumen enorm konzentriert, gedarrte Körner und auch dunkle Bieraromen, fleischig, extrem nachhaltig. Weiss zu beeindrucken, zeigt seine ehemalige Grösse immer noch dramatisch. Auch wenn diese Flasche leider nicht ganz optimal war. In der Folge wurde dieser Latour dann doch noch irgendwie besser. Und am Schluss wurde die Flasche dann doch leer. Keine Bewertung.   


DER WEIN DES TAGES


2003 Château Montrose, Saint-Estèphe: Magnum. Etwas Rot im Farbbild, der Rest ist Schwarz. In der Mitte satt. Er beginnt mit einem gigantisch intensiven Nasenbild. Und das ist bei einem Montrose praktisch neu, Kandis, Pflaumen, Darjeeling Tee, füllig ausladend, laktisch. Im Gaumen fett, voll, rund, mundfülklend. Die Tannine sind reichlich vorhanden, aber gleichzeitig auch mit Fett ummantelt, gigantisches Finale. Ein völlig atypischer Montrose. Das erwartet man von einem der allerbesten Crus des ebenso un- typischen Jahrganges 2003 auch gar nicht. Eine Gaumenorgie schlechthin. 20/20 trinken



GROSSARTIGE LYNCH-BAGES-VERTIKALE


Weinfreak Jürg Richter opferte eine Palette von 13 Lynch-Jahrgängen für seine Wein-Wanderfreunde für einen geselligen Abend. Normalerweise finden diese Treffen in Eschenbach statt. Diesmal gab es ein Gastspiel im Schläpfers Gourmetkeller in Hochdorf. 


Also traf sich die Truppe zwar wie immer in Bärtis W1. Danach wanderte die Männertruppe Richtung Frauenwald an den Austragungsort. Die Bilanz: Rund 10'000 Schritte mit einer Distanz von 7.3 Kilometern. 


Verdienter Apero mit weissem Lynch Bages, Jahrgang 2021. Der schmeckt zwar sehr gut. Für den Preis von rund 50 Franken gibt/gäbe es günstigere Alternativen. Für einen dermassen roten Lynch-Event passte der weisse Lynch aber ideal zur Veranstaltung. Zudem stieg die Jahrgangsanzahl von der androhenden Unglückszahl von 13 auf 14. Sicher ist sicher! 

    

Die Weine lieferte Jürg schon Wochen zuvor an und ich stellte die Flaschen im Keller für das geschossene Titelbild auf. Am Vormittag der Veranstaltung (Montag, 17. Februar 2026) entfernte ich alle Kapseln. Nach dem Mittag entkorkte ich alle Weine mit dem Durand. Laut Werbung der «beste Korkenzieher der Welt». Besonders, wenn es um alte Flaschen geht. Den gibt/gäbe es auch beim Gabriel-Glas.  


Weltweite Rarität! Alte Jahrgänge von Lynch Bages findet man selten auf dem Markt. Die Vermutung; die Flaschen werden nicht gesammelt, sondern entkorkt. Entkorken macht mehr Sinn wie «Flaschengaffen» im Keller. Im Markt ist aktuell kein 1929er Lynch verfügbar.  

 

1929 Château Lynch-Bages: (HS-TS). Nur noch wenig Rot in den überwiegend braunen Reflexen zeigend. Dafür ist die Mitte erstaunlich satt. Leicht stalliges, waldiges Bouquet. Es zeigt sich aber noch eine trockene Süsse darin. Dabei geht er auch in eine bemerkenswerte Tiefe. Trüffel, Bakelit, Korinthen, kalter Rauch, getrocknete Nussschalen, Ratafia-Likör. Im Gaumen mächtig, den gewaltigen 1929er-Jahrgang deutlich anzeigend. Nasses Leder, Baumrinde, Frühlingslaub, sandige Textur. Man muss hier eine gewisse Toleranz bei der Betrachtung, respektive der Beschreibung walten lassen. Was angesichts seiner Grösse einem Altweinliebhaber nicht besonders schwer fällt. Ein immer noch stark beeindruckender Pauillac-Methusalem. 18/20 vorbei


1975 LYNCH IN DER WEINBÖRSE


Aktuell läuft eine Internetauktion der Weinbörse bis zum 1. März 2025. Da wird unter rund 10'000 anderen Flaschen auch der Lynch Bages 1975 angeboten. Der Ausruf liegt bei 360 Franken für das Lot von sechs Flaschen. Zum Ersten. Zum Zweiten. Zum Dritten! www.weinboerse.ch


1975 Château Lynch-Bages: Aufhellendes, rostiges Ziegelrot, transparenter Rand. Erdiges Bouquet, Torf, altes Leder, animalische Töne. Wirkt etwas trocken im Ansatz. Wird im zweiten Ansatz süsser und zeigt einen rosinigen Schimmer. Nach weiterem Luftzutritt wird das Nasenbild zunehmen frischer und erinnert mit seinem Minz- Eucalyptustouch sogar an einen Heitz Marthas Vineyard. Im Gaumen weiss er noch besser zu gefallen als in der Nase. Zeigt roten Pflaumensaft, eine mürbe, leicht gezehrte Textur und im Finale eine versöhnlich rosinige Süsse. Ein Zeitzeuge der damaligen Vinifikation. Und auch der Beweis, dass selbst hoch reife Altweine mit dem Dekantieren nochmals zulegen können! 17/20 austrinken 


LYNCH, DER BESTE ALLER BAGES  Zwischen Château Latour und den beiden anderen Premiers (Mouton und Lafite) liegt das sogenannte Plateau de Bages. Viele Crus teilen sich dort Parzellen und profitieren auch gleichzeitig von diesem Terroir. Doch es glänzt nicht ganz alles, was sich Bages nennt.   Der jüngste aller Bages ist der Cordeillan-Bages. Eigentlich ein Hauswein vom Hotel Cordeillan-Bages, welches zur Familie Cazes gehört. Die Angebote sind spärlich und liegen um 75 Franken. Günstig (unter 30 Franken) ist der Haut-Bages-Monpelou. Ein Cru Bourgeois der zur Familie Castéja (Lynch-Moussas und Batailley) gehört. Der Haut-Bages-Libéral ist im Besitz von Claire Villars (Ferrière). Ein sehr guter, wenn auch nicht besonders tiefgründiger Wein, welcher in mehreren Jahrgängen unter 50 helvetischen Talern im Markt zu finden ist. Dann ist/wäre noch der Croizet-Bages. Auch dieser kostet nicht viel. Die Qualitäten stagnieren aber seit (zu) vielen Jahren auf einem jämmerlichen Niveau.   Dann kam viele Jahre der Haut-Bages-Avéroux auf den Markt. Das war der frühere Zweitwein von Lynch Bages, welcher letztmals im Jahr 2007 unter diesem Namen abgefüllt wurde. Der heisst heute Echo de Lynch-Bages und erfreut sich unter dem neuen Brand grosser Beliebtheit.   Popularitäts-Sieger in dieser «Bages-Liga» ist und bleibt der Château Lynch-Bages. In der Qualität, im Potential, aber verständlicherweise auch was sein Preis-Niveau betrifft.

LYNCH, DER BESTE ALLER BAGES


Zwischen Château Latour und den beiden anderen Premiers (Mouton und Lafite) liegt das sogenannte Plateau de Bages. Viele Crus teilen sich dort Parzellen und profitieren auch gleichzeitig von diesem Terroir. Doch es glänzt nicht ganz alles, was sich Bages nennt. 


Der jüngste aller Bages ist der Cordeillan-Bages. Eigentlich ein Hauswein vom Hotel Cordeillan-Bages, welches zur Familie Cazes gehört. Die Angebote sind spärlich und liegen um 75 Franken. Günstig (unter 30 Franken) ist der Haut-Bages-Monpelou. Ein Cru Bourgeois der zur Familie Castéja (Lynch-Moussas und Batailley) gehört. Der Haut-Bages-Libéral ist im Besitz von Claire Villars (Ferrière). Ein sehr guter, wenn auch nicht besonders tiefgründiger Wein, welcher in mehreren Jahrgängen unter 50 helvetischen Talern im Markt zu finden ist. Dann ist/wäre noch der Croizet-Bages. Auch dieser kostet nicht viel. Die Qualitäten stagnieren aber seit (zu) vielen Jahren auf einem jämmerlichen Niveau. 


Dann kam viele Jahre der Haut-Bages-Avéroux auf den Markt. Das war der frühere Zweitwein von Lynch Bages, welcher letztmals im Jahr 2007 unter diesem Namen abgefüllt wurde. Der heisst heute Echo de Lynch-Bages und erfreut sich unter dem neuen Brand grosser Beliebtheit. 


Popularitäts-Sieger in dieser «Bages-Liga» ist und bleibt der Château Lynch-Bages. In der Qualität, im Potential, aber verständlicherweise auch was sein Preis-Niveau betrifft.    


FREAKIGER REIFWEIN-AFICIONADO


Im Vorfeld zu dieser Lynch-Bages-Probe bat ich Jürg Richter seine Liebe zu alten Weinen zu deklarieren … 

 

Woher kommt bei mir die Leidenschaft zu «alten» Weinen?


Hierbei müssen wir gleich schon zu Beginn ein Missverständnis aus dem Weg räumen, denn «alt» heisst für mich nicht – wie viele denken – «zu alt». 


Das ist in etwa ein so grosser Unterschied, wie wenn man einen Oldtimer in erstklassigem Zustand mit einem verrosteten Exemplar vergleicht.


Und schon kommen wir zur nächsten Frage, die sich aufdrängt: Was heisst denn eigentlich alt? Sind dies 5, 10, 25 oder gar 50 oder mehr Jahre?


Diese Frage muss im Prinzip jeder für sich selbst und in Einklang mit seinem subjektiven Genuss-Empfinden beantworten.


Grundsätzlich ist ein Wein dann alt (nicht zu alt!), wenn er sich schon länger in der Genussphase befindet. Diese dauert, wie wir ja wissen, je nach Produzent, Traubensorte und Jahrgang unterschiedlich lang.


Die Genussphase kann somit von wenigen Jahren bis zu vielen Jahrzenten andauern.

So lange, bis uns dann das kleine, aber degustatorisch entscheidende Wort «zu alt» anzeigt, dass der Wein nun leider den Zenit überschritten hat und effektiv zu alt ist. 


Wie bereits beschrieben, verhält es sich so mit einem gereiften und alten Wein wie bei einem in die Jahre gekommenen, aber immer noch attraktiven Oldtimer. 


Der Charakter und das Erscheinungsbild unterscheiden sich immer mehr von den moderneren, jüngeren Ausgaben.


Sind diese Autos oder Weine nun deshalb weniger attraktiv?


Nein, im Gegenteil; aber sie sind Zeugen und Repräsentanten einer neueren Zeit und Weltanschauung. Genauso verhält es sich mit einem alten Wein im Gegensatz zu einer Abfüllung aus jüngerer Zeit.


Wer bereit ist für diese Offenbarung und Faszination, der läuft grosse Genuss-Gefahr, dass diese Erfahrung ihn in seinen Bann zieht und dem Genuss neue Türen, Tore und Dimensionen öffnet.


Ganz nach dem Motto: «Sei offen für Neues – auch wenn es alt ist und erweitere Deinen Horizont für eine neue Degustations-Erfahrung».


Und genau das ist es, was meine persönliche Leidenschaft für wunderbar, gereifte – ja, auch alte Weine ausmacht. 


Es sind Erfahrungen, welche man sich nicht annähernd vorstellen kann, wenn man «nur» junge Weine trinkt und ich wünsche jedem Wein-Liebhaber diese Erfahrung zumindest einmal im Leben machen zu dürfen.


Und ich garantiere, es wird in der Folge nicht das letzte Mal sein! 


1983 Château Lynch-Bages: Gereifte, deutlich aufhellende Farbe, transparenter, ziegelroter Rand. Offenes, süsses Bouquet. Dieses erinnert an Rosinen und gesüssten kalten Kaffee sowie an einen klassischen grossen Vintage Port (Noval Nacional!) im alten Stil. Im zweiten Ansatz; Studentenfutter, dominikanische Cigarren und Zedern Holz. Auch zart jodige und torfige Nuancen schwingen mit. Dann wird das Nasenbild zunehmend süsser, zeigt Nuancen vom Kampfer und kaltem Earl-Grey Tee. Im Gaumen geht es mit dieser berauschenden Süsse nahtlos weiter. Kein besonders tiefgründiger Wein, aber den heissen Herbst so richtig anzeigend. War immer schon einem Lieblings-Jahrgänge. Auch wenn es bei weitem kein typischer Lynch ist. Aber immerhin einer der besten Bordeaux-Weine des Jahrganges 1983. Zumindest gilt das für mich persönlich. Er war aber früher nicht immer überzeugend. Zu Beginn seiner heute erfolgreichen Genuss-Laufbahn zeigt er sich ziemlich sperrig. Vor ein paar Jahren flippte ich dermassen aus, dass ich mir gleich mehrere Kisten im Markt besorgte. Auch heute würde man noch kleinere Mengen im Markt für unter 200 Franken finden. Würde! 20/20 austrinken

MEINE GRÖSSTE ÜBERRASCHUNG


So langsam mehren sich bei mir die Eindrücke, dass die Bordeaux 1986 (nach extrem langer Verschlusszeit!) nun doch zu ziemlich grossen Klassikern mutieren. Das hat mich dazu animiert, am Samstag, 24. Oktober 2026, um 13.00 Uhr, im Restaurant Kreuz Emmen eine grosse Palette als 40jähriges Jubiläum zu entkorken. Weine aus Saint Emilion und Pomerol werde da nicht dabei sein. Die sind noch nie wirklich gut gewesen. Aber das linke Ufer wird (hoffentlich) viele Teilnehmer zu überzeugen wissen. Mehr Infos: www.weingabriel.ch 


1986 Château Lynch-Bages: Sehr sattes, dunkles, schier undurchdringliches Weinrot, schier Schwarz in der Mitte. Würziges, mit frischen Kräutern durchsetztes Bouquet. Es schwingt auch ein Hauch von Eucalyptus mit was ihm einen gewissen Napa-Touch verleiht. Im zweiten Ansatz; Brazil-Tabak, schwarzer Rauch und Backpflaumen. Im Gaumen ist er jetzt langsam besser entwickelt wie noch vor einem Jahrzehnt. Er gibt sich aber immer noch als fleischiger Brocken. Lange Dekantieren ist da eine gewinnbringende Pflicht. Mein bisher überzeugendster Eindruck zu diesem (zu)

lange verschlossenen Pauillac. 19/20 beginnen



FINALE MIT REIFEM SAUTERNES


Eine Probe mit Jürg Richter ohne Sauternes ist wie ein Coupe Danmark ohne Schokosauce. 


So griff der grosszügige Gastgeber dann zum Reissverschluss seine ledernen Flaschentasche und zauberte einen 1947 Château Suduiraut ans Tageslicht. 


Der braun-goldene Nektar schmeckte nach Dörrfeigen, Pertinax und Cointreau. Die passende Säure machte ihn vif und erfrischend. Kein vollsüsser, sondern ein besonders rassiger, ja gar immer noch reichlich erfrischender Sauternes. 19/20 trinken


RENATE’S GOURMET-SERVICE


Mehr als ein kaltes Plättli zur Degustation liegt normalerweise nicht drin. Wir genossen somit ein Sondergastrecht. Auf dem Bild sieht man die Strahlefrau und Geschäftsführerin Renate Schläpfer mit ihrem Geburtsjahrgang 1985.  Webseite und Info: www.fleischundmehr.ch



VIVA IL MAGNUM-GRISCHA

Olaf Scholz reiste eine Woche vor mir ans WEF nach Davos. Aus reiner Neugier wollte ich wissen, wie es der deutsche Bundes-kanzler so mit dem Wein hat. In seiner Diplomarbeit hat Scholz über Fussball und Bier geschrieben. Wie es sich bei ihm beim Wein verhält? Er soll in der Vergangenheit ein paar Mal öffentlich seine Vorbliebe zum Wein bekundet haben und er wurde auch schon in geselliger Runde mit einem Glas Wein gesichtet. Spezifischere Öno-Angaben findet man weintechnisch nicht über ihn …  Bei mir ist es umgekehrt. Man weiss im Allgemeinen viel über meine Liebe zum Wein. Dafür erfährt man im Netz praktisch nichts über meine politische Karriere. Ist auch verständlich, weil sich mein Interesse zu diesem Jargon in überschaubaren Grenzen hält. Meine möglicherweise etwas dekadent anmutende Ansicht zum Erfolg in der Politik proklamiert sich daraus, dass gewisse Personen dort nur versuchen Karriere zu machen, wenn es ihnen in anderen Sparten nicht gelang.   


Also kommen wir, weil eben der Gabriel grad wieder Mal am Laptop sitzt, unweigerlich weg von der Politik und fokussieren uns – einmal mehr – auf den Wein.  Wein in doppelter Form! Denn, es geht in diesem Artikel um Magnums. Die wurden zwar in Davos eingeschenkt, aber in Eschenbach entkorkt und dekantiert.  Und zwar am Veranstaltungstag. Dem ersten Tag im Monat vom «Horner» 2025. Im Volksmund mehr als Februar bekannt. 


Mit dem Hotel Grischa verband mich vom Anfang an eine Geschäftsbeziehung. Ich sah nämlich zufällig, dass eine ganze Palette von Gabriel-Gläsern vor ein paar Jahren bestellt wurden. Ich nahm mir vor in diesem Hotel einmal eine Raritäten-Verkostung zu organisieren. Das passierte letztes Jahr im Herbst 2024, als wir mehr als 50 Jahrgänge von Château Haut-Brion in den Bündner Bergen auf rund 1560 Metern über Meer während zwei Tagen zelebrierten.


MAGNUM-EVENT IM GRISCHA


Neun verschiedene Bordeaux-Crus aus Magnumflaschen wurden an diesem komplett ausgebuchten Samstagabend entkorkt. Plus zwei Weine aus normalen Flaschen. Einerseits der Apero in Form von einem «trockenen Sauternes», dem «G» de Guiraud vom Jahrgang 2022 und einem richtigen Sauternes zum Finale; 1999 Château d’Yquem. 



EINE MAGNUM KORKTE


Trotzdem war kein Frust beri den Teilnehmern zu verspüren. Dies deshalb, weil ich die Magnums zu Hause entkorkte und für die schadhafte Bouteille einen Ersatz hatte.


2004 Château Léoville-Poyferré, Saint-Julien: Magnum. Sattes Purpur mit rostroten Reflexen. Intensiver Moccatouch von dunkel gerösteten Barriques, schwarze Kirschen, Rauchnuancen, dunklen Pfefferkörnern. Geht gewaltig in die Tiefe und strahlt bereits nasal eine grosse Kraft aus. Im Gaumen kräftig und sehr fleischig mit einer tollen Konzentration im Extrakt anzeigend. Mehr Kraft wie Finesse und noch ein weiteres Potential vermittelnd. Somit ist er erst am Anfang einer langen Genussreife. Lange Dekantieren. 19/20 beginnen 



ZWEI LIEBLINGSWEINE


Auf die Frage, welcher sein Lieblingswein des Abends war, griff Gischa-Sommelier Igor Somm nach dem Gazin und dem Mouton-Rothschild.


1998 Château Lafaurie-Peyraguey, Sauternes: Magnum. Helles, leuchtendes Gold mit senfgelben Reflexen. Offenes, weit ausladendes Bouquet, zeigt eine reife, marmeladig anmutende Frucht. In erster Linie erinnert diese an Quittengelee, dann an Mirabellenkonfitüre und schliesslich zeigen sich Nuancen von Mandeln und minim auch Bittermandeln. Aus dieser Kombination ergibt sich ein Duft, welcher deutlich an Marzipan erinnert. Im Gaumen weich und anmutig. Zeigt sich hier wesentlich süsser als in der Nase und vermittelt viel Honigaromen. Vielleicht gibt er sich ein bisschen old-fashioned vom Stil her. Gefällt mir aber gerade deshalb. 19/20 trinken


1999 Château d’Yquem, Sauternes: Aufhellendes, brillantes Goldgelb mit orangen Reflexen. Intensives, vielschichtiges Bouquet. Die Aromen tanzen von Frucht über Würze zu blütenartigen Nuancen. Das Ganze wirkt verspielt, fast neckisch im Nasenbild. Der Ansatz der Süsse wirkt elegant und filigran. Im Gaumen süss, helles Malz, Akazienhonig, füllend-elegant und hoch aromatisch im langen Finale. Kein Sauternes-Likör, sondern eine tänzerische Variante welche auch für einen allerbesten Barsac passen könnte. Mein Einstandspreis für diesen damals ausserordentlich günstigen Yquem im Markt: 165 Franken. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Information: wenn ich ihn das nächste Mal geniessen will, muss ich mühsam eine noch verschlossene 12er Kiste öffnen. So ein Pech aber auch! 19/20 trinken



LOCKER UND PRÄZIS



Küchenchef Thomas Huber hat alles fix im Griff. Präsentation, Garzeiten, Geschmack.

Für ein Wine & Dine eine sichere Bank.  Offizielle Website: www.hotelgrischa.ch 




MOUTON-ROTHSCHILD & KRUSTENBRATEN

Es geht um sechs Jahrgänge von Château Mouton-Rothschild. Alle aus der Phase nach seinem Upgrade als Premier-Grand-Cru (1973). Entkorkt wurden diese an einem stinknormalen Januar-Dienstag im Eschenbacher W1. Der Indian-Töffgarage von Bärti Stocker. Er war Gastgeber für unsere Quartals-Jassrunde mit den Fehr-Brothers aus dem Aargau. Erstmals war er komplett fürs Menu verantwortlich. Und die Speisenfolge passte hervorragend zu diesem, mit schönen Etiketten versehenen Pauillac. 


Die Verbindung von Speisen mit Wein liefert bei Events immer wieder Diskussionen. Da gibt es einerseits ein tolerantes Lager, welche nach dem Motto «erlaubt ist, was gefällt» begleitende Kompositionen kreiert. Andere Organisatoren wiederum treiben die Suche nach Speisen-Wein-Harmonie buchstäblich zum pingeligen Exzess.  Diesmal kamen rustikale Gerichte auf den Teller: Schwartenmagen. Krustenbraten in Form von knusprigem Bauchspeck. Und reife Käse. Einer aus dem Tessin, genauer aus Isone. Die anderen von der Sagi-Chäsi in Rain. So weit so gut!


Bei genauerer Analyse der zelebrierten Gerichte und der Historie von Mouton kann vielleicht bemängelt werden, dass der Schweinebraten dann doch nicht so recht in die Symbiose der zelebrierten Weinen passte. Die Rothschilds waren und sind Juden und da ist Schweinsfleisch verständlicherweise aus religiösen Gründen tabu.  In früheren Zeiten war ich ein paar Mal auf dem Weingut in Pauillac eingeladen. 

Meist kam da eine dampfende Daubière mit einem «Navarin de Mouton» auf den Tisch. Dieses Gericht habe ich in der Folge ein paar Mal zu Hause für Freunde nachgekocht, wenn ein paar Moutons entkorkt wurden. 

Der Bericht ist auf www.bxtotal.com aufgeschaltet.



1995 Château Mouton-Rothschild, Pauillac:

Dunkles Granat, in der Mitte fast Schwarz. Geballtes, konzentriertes Bouquet, Pflaumen, Cassis, Black-Currant-Pastillen, Szechuan Pfeffer, Schwarzbrot Kruste. Im Gaumen kompakt, sehr konzentriert, fleischig, umfassende Adstringenz. Letzteres will heissen, dass die Gerbstoffe noch nicht ganz ausgereift sind und der Wein sich somit noch nicht auf dem Genusspeak befindet. Mindestens vier Stunden dekantieren. Vor Jahren war er immer «versprechend», aber doch relativ schwierig einzustufen. Heute merkt man, dass das ein grosses Mouton der modernen Art wird. Als Speisenbeilage kann man ihn jetzt schon einsetzen. 19/20 beginnen





1966 CHÂTEAU LA LAGUNE 


Es zeigt sich in der aufhellenden Farbe noch ein minimes Rot, nebst verständlichen Brauntönten. Das Bouquet vermittelt eine geniale Süsse mit Malz, Ricola-Kräutern, hellen und dunklen Rosinen, sowie Dörrpflaumen. Man findet auch Spuren von einem Gemisch von kaltem Darjeeling Tee und Kaffee. In dieser Kombination hatte ich das bisher noch nie so deutlich. Hält sich stoisch an der Luft. Also ist da keine Eile angesagt. Blind würde man da nasal bei einem grossen, reifen Saint-Julien suchen. Im Gaumen superelegant mit schon fast zärtlichen Rest-Tanninen, seidiger Fluss, im angenehm süsslichen Finale Hirschleder und dominikanische Cigarre. Nobel gereift und immer noch mit viel Genuss zu trinken. 18/20 


P.S. 1: Die Weine von La Lagune aus dieser Zeit waren alle gross und auf grossartigem Niveau. 1970 war unser Hochzeitswein im Jahr 1998 für 100 Personen. Die zwei Kisten waren schnell weg … 


P.S. 2: Zum Wild-Saucisson und Lauch-Bratkartoffeln sollte er eigentlich ganz gut passen. 




JUBILÄUM AUF DER MELCHSEE-FRUTT


Switzerland-Mobility deklariert das Obwaldner Ferien-Paradies wie folgt: «Umgeben von einer herrlichen Bergkulisse in einem landschaftlich prächtigen Hochtal liegt Melchsee-Frutt auf knapp 2000 Meter über Meer. Der familienfreundliche Ferienort am kleinen Melchsee wird mit der Gondelbahn erreicht». 

Zahlenmässig auf genau gleicher Höhe befindet sich der Bordeaux-Jahrgang 2000. Der feiert nämlich heuer seinen 25jährigen Geburtstag. Und wenn man ihn aktuell entkorkt, dann kommt ziemlich schnell Feierlaune auf. Denn – die besten Reifweine liefern im Glas ein veritables Volksfest ab. 


Am letzten Wochenende im Januar 2025 war es wieder mal so weit. Gastgeber Irene und Ruedi Berwert luden ein. Mit dabei; Freunde aus der Weinszene. In alphabetischer Reihenfolge: Alice, André. Felix, Karin, Kurt, Markus, René und Romi. 


Die fruttigen Austragungsorte: Post Huis, Stockhütte und Alpenheim. Mehr als ein Dutzend Flaschen vom begehrten Bordeaux 2000 wurden entkorkt. Passendes Essen und gute Gespräche mit sehr guten Freunden. Eine Formel mit ganz vielen Genussmöglichkeiten. 


Ein Blick zurück: Bei der Primeurprobe im Jahr 2001 verkostete und bewertete ich während acht Tagen total 850 Fassproben vom Jahrgang 2000. Mein journalistischer Einsatz resultierte aus 43'545 Wörtern. Insgesamt hackte ich 324'827 in die Laptop-Tasten um meine damaligen Eindrücke einzufangen. 

In den Jahren danach kamen ganz viele neue Eindrücke dazu. Diese wurden im Suchportal

www.bxtotal.com laufend angepasst.  

Wer alle aktuellen Wertungen und Notizen auf einen Blick will. gibt einfach beim Jahrgang «2000» ein und drückt auf «Suchen»



2000 Château La Fleur-Pétrus: Wertung von André Kunz. Samtenes, süsses, kräftiges, cremiges Bouquet, Brombeergelee, Erdbeeren, Pralinen. Ausgewogener, dichter, voller Gaumen mit vielfältiger, süsser Aromatik, feinem Tannin, fein opulenter Struktur, langer, kräftiger, süsser Abgang. 19/20 trinken – 2034


FELIX IM FACEBOOK


Er sponsorte, nebst mitgebrachten Müller-Bräu Bierdosen, auch noch den Apéro auf der Terrasse der Stockhütte am Samstagmittag. Nach dem Motto «Ein Dézaley kommt selten allein!»


Spontan postete ich das Foto auf Facebook. 

Bis zum Redaktionsschluss wurde der Beitrag über 5'000 Mal angeklickt. 



WEINGENUSS IN DEN ALPEN?


Schmecken die Weine in den Bergen genau gleich wie im Tal? Oder gibt es Unterschiede in physischer oder psychischer Form? Beim Frühstück kamen wir auf dieses Thema zu sprechen. Das Problem liess sich erörtern, aber ohne Recherche leider nicht klar definieren. Eine Spurensuche im Netz … 


Ein Veltliner schmecke in den Bergen immer besser. So war damals die Meinung zu den Weinen zu den «Alpen-Nebbiolos» von Triacca, Kindschi, Zanolari & Co. Habe ich früher ein paar Mal versucht. Die schmeckten mir oben so wenig wie unten! Beat Caduff veranstaltete jeweils ein alpines Weinforum in den Bergen von Arosa. Mir berichtete er, dass er die Weine jeweils schon eine Woche zuvor an den Veranstaltungsort transportierte, damit sich diese akklimatisieren konnten.    


Bei weiteren Recherchen fand ich heraus, dass es auch wichtig ist, dass sich der Mensch selbst 

auch akklimatisiert. Wichtig sei dabei, dass man seine Flüssigkeitszufuhr erhöht. Damit meine ich in erster Linie Wasser, weil der Körper in Höhenlagen schneller dehydriert. 


Eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung sei daher auch aus gustatorischen Gründen sinnvoll. Sind Gaumen und Nasenschleimhaut ausgetrocknet, verändert sich die sensorische Wahrnehmung. Die niedrigere Luftfeuchtigkeit führt dazu, dass Aromen von Schleim¬häuten schlechter aufgenommen werden. 


In der Höhe haben subtile Noten daher weniger Chancen, erkannt zu werden, denn die Aromen verflüchtigen sich rascher. Das intensiviert die Empfindung von Säure und Tanninen. Diese zeigen sich in der Höhe im Gaumen kräftiger. Gerbstoffe führen normalerweise dazu, dass wir mehr Speichel produzieren, um die adstringierende Wirkung zu senken. Hat man einen zu geringen «Wasserstand», fällt die Speichelproduktion geringer aus, folglich nehmen wir die Tannine stärker wahr.  



DER FRUTT-ALPENSIEGER


2000 Château Ducru-Beaucaillou: Verkostungsnotitz von André Kunz. Fein konzentriertes, komplexes, dunkles Bouquet, kleine schwarze Beeren, Zedern, Korinthen, Trüffel. Dichtverwobener, eleganter, vielschichtiger Gaumen mit dunkler, feiner Frucht, vielfältiger, dunkler, kräftiger Aromatik, viel feinem Tannin, kompakter Struktur, sehr langer, kräftiger Abgang. 20/20 trinken – 2048 







RESTFLASCHEN IM GABRIEL-KELLER


Bei der folgenden Aufzählung geht es nicht darum, wie viele Flaschen vom Jahrgang 2000 noch in Keller schlummern. Beim Durchstöbern gewisser Restposten, fand ich immer noch ein paar günstige Bordeaux, welche ich damals mit Überzeugung eingekauft hatte. Wenn ein Jahrgang gross ist, dann sind auch die «kleinen» sehr gut. Da ich kein Snob bin, schätze ich auch einfachere Weine. Die sind meistens mehr wert, wie die teureren. Was man bei mir aktuell an günstigen 2000ern (noch) in Einzelflaschen findet: Côte de Baleau, Lynsolence, Rol Valentin, Haut-Marbuzet, de Pez, Tronquoy-Lalande, Domaine de Chevalier, Lagrange, Angludet, Ferrière, Monbrison, du Tertre, Belgrave, Citran, Paloumey, La Garricq, Haut-Bages-Libéral, Clos de Salles und der spannende Moulin-Haut-Laroque aus Fronsac. 


Zum bevorstehenden Nachtessen wählte ich auch gleich einen Cru aus dieser «Schatulle» aus. Die Wahl fiel auf den 2000 Château d’Escurac: Immer noch sehr dunkel in der Farbe. Rauchig, würziges Bouquet mit einer defensiven Süsse von schwarzer Pflaumenhaut. Im Gamen saftig, weich und hoch aromatisch mit Lakritze im Finale. Wertung: 17/20. Mit diesem Wein verbinden mich viele Emotionen mit dem leider im Jahr 2017 verstorbenen Winzerfreund Jean-Marc Landureau. (Bild). 



LIEBER SMARAGD ALS GRAND CRU


Es muss nicht immer Latour sein! Karin mag auch Lynch-Bages, Grand-Puy-Lacoste oder La Mission Haut-Brion. Margaux mag sie gar nicht. Cos auch nicht. Palmer? Na ja! 

Es müssen Weine mit Ecken und Kanten sein. Wenn diese nicht vorhanden sind, dann switcht sie lieber auf einen Sauvignon Blanc oder – noch lieber – auf einen Wachauer. Und wenn schon, dann favorisiert sie die Liga der Smaragde. Hier scheint sie überglücklich mit der Magnum 2021 Riesling Spezial vom Weingut Jäger zu sein. 


Das Foto schickte ich dem Winzer Roman Jäger. Seine Antwort: «Glückliche Frau, schönes Leben für den Mann! Ich freue mich auf Euren Besuch im heurigen März.»  



GASTFREUNDSCHAFT


Zwei wunderbare Tage an einem Januar-Wochenende in der Melchsee Frutt. 


Ruedi als Flaschensponsor und Irene als Hackbratenkönigin. Vielen Dank!  


Der grosse PDF-Bericht von André Kunz und René Gabriel.  www.bxtotal.com 


2015 Rioja Grand Reserva 904


Wenn ich keinen Bordeaux mehr trinken dürfte, dann wäre es die Rhône oder Weine aus Spanien. So oder so eine schwere Entscheidung ... 


Ein Freund schenkte mir eine Flasche vom 2015 Rioja Gran Reserva 904 von La Rioja Alta. Da habe ich wunderschöne Erinnerungen an ältere Jahrgänge. Diesen kannte ich noch nicht. Also heute, aus reiner Neugier entkorkt und spontan begeistert. 


Für einen an sich klassischen Rioja ist die Farbe erstaunlich dunkel. Das Bouquet voller Bounty (Kokos und helle Schokolade), dann Sandelholz, Mocca, Cassis und Maulbeeren. Vom amerikanischen Holzausbau (48 Monate!) momentan noch eher süss. Das wird sich aber im Alter legen. Im Gaumen üppig, laktisch, weich und somit eine runde Sache. Gebündeltes, reiches Rückaroma. Ein genialer Blend aus 90% Tempranillo und 10% Graciano. Die Selektion der Trauben kommt aus den Dörfern Briñas, Labastida, Villalba und Fuenmayor. Die Reben sind zum grössten Teil bis 60 Jahre alt. 


Ein heute schon gigantischer Genuss mit einem Alterungspotential von garantierten 30 Jahren. Wertung: 19/20. Empfehlung: Kaufen!!!



Ein kurliger, gutmütiger Freund hat die Welt verlassen. Er war wohl am glücklichsten in unserer Freitags-Runde im W1 in Eschenbach. 


Leider konnten wir seinen 70igsten Geburtstag nicht mehr gemeinsam zelebrieren. Die Kalbsbratwürste und Pommes Frites waren schon bestellt. 


Oft bist Du bei uns vor dem Haus auf dem Glasbänkli gesessen. Dann haben wir Dir einen Villiger Stumpen in die Hand gedrückt. Dein Lächeln sprach Bände. 


Leb wohl Leo. Im Himmel nimmt Dir niemand die Zigaretten weg!



JASSPOKAL BLEIBT IN ESCHENBACH


Sie nennen sich «Eschenbacher Weinwanderer». Normalerweise wird etwas gewandert und dann gemeinsam Flaschen aus den eigenen Kellern genossen. Anfangs Jahr veranstaltet Weinfreund Baschi Schwander jeweils im Löwen eine Jassmeisterschaft. Er entkorkte nicht nur grosse Weine, sondern auch grosse Flaschen. Das Selbstbedienungs-Weinbuffet bestand nämlich ausschliesslich aus Magnumflaschen. 


Der Wanderpokal reiste beim ersten Concours nach Sempach (Hugo Gabriel). Bei der zweiten Auflage gewann Jürg Richter (Magden). Bärti Stocker gewann die heurige Jassmeisterschaft souverän mit einem Glanzresultat von 5'349 Punkten. Somit bleibt der Jasspokal erstmals im Dorf. Der Schieber ist nicht gerade Bärti’s Favorit. Lieber mischt er die Karten für den Coiffeur oder den Sidi Barrani mit Doppelkart. 





Ich denke, wir liegen im grünen Bereich. Die Schweizer sind massvoll. Nicht alle, aber halt im Schnitt ...


Beim Lesen vom Buch «Der letzte Schnee» von Arno Camenisch musste ich mehrmals schmunzeln. Deutsche Grammatik vermischt mit «Bündnerisch». Herrlich. Eine Passage möchte ich da nicht vorenthalten: «Dem Ende entkommt man nicht. Auch wenn man sich tot stellt!»



MODERATER ALKOHOLKONSUM?


Grundsätzlich gibt es ja Gruppierungen, welche Alkohol in jeglicher Form als schädlich bezeichnen. Bei der extremsten Mengen-Variante wird das im Netz wie folgt deklariert: «Wenn Sie bis zum Rausch trinken, auch wenn es nur gelegentlich vorkommt, erhöht sich Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich und Ihr Gehirn kann dauerhafte Schädigungen davontragen. Während eines Rausches steigt ausserdem die Gefahr eines Schlaganfalls sowie von Herzrhythmusstörungen».


Kürzlich habe ich einen spannenden Artikel in meiner Tageszeitung gelesen. Es gäbe in Amerika Bestrebungen gibt, sämtliche alkoholischen Getränke mit schockierenden Bildern, ähnlich wie bei Zigarettenpackungen zu deklarieren. Im selben Artikel steht, dass Herr oder Frau Schweizer rund 12 Liter Alkohol pro Jahr konsumieren. Dieser wird im von Bruno Knellwolf verfassten Artikel in Bier (59.6 lt.), Wein (33.8 lt.) und restlichen Mengen von Spirituosen, Obstwein und reinem Alkohol umgerechnet. 


Dabei wird aktuell in der EU ein Konsum von 1.5 Liter Wein, 3.5 Liter Bier oder 4.5 Deziliter Spirituosen pro Woche immerhin noch als «moderat» eingestuft. Moderat wird wortmässig mit gemässigt, massvoll, verhalten, akzeptabel, nicht überzogen oder auch vernünftig deklariert. 


Somit liege ich beim Bier sicher weit unter dem Wochenschnitt. Und beim «Spiritus Sanctus» ebenfalls. Bei genauerem Hinschauen und Verstehen dieser «zugelassenen Hebdomadismenge» habe ich dann erst im zweiten Ansatz verstanden, dass diese Mengen nicht kumuliert werden dürfen und so mit dem Wort «oder» verbunden sind. Somit muss ich zugeben, dass es bei mir Wochen gibt, bei welchen ich – besonders beim Wein – die als moderat geltenden Genussmengen etwas überschreite. Nicht konsequent oder permanent, aber dann doch halt situativ. 


Generiere ich mir dabei ein schlechtes Gefühl? Ganz bewusst nicht! Die Angst ist ein miserabler Genuss-Motivator. Der Konsum aller Art geht immer mit einem gesunden Verantwortungsbewusstsein einher. 


Ich könnte da auch noch dagegenhalten, dass ich von der Grösse und vom Gewicht über der Norm liege und deshalb diesen Differenzfaktor eigentlich aufrechnen könnte. So ist der durchschnittliche Europa-Mann 1.789 Meter gross und wiegt 85.8 Kilogramm. Wenn sich jetzt aus der Multiplikation dieser zwei Kennzahlen Faktoren ein Hunderterwert von 1.531384 ergibt. So kann ich den persönlichen Wert vom moderaten Alkoholkonsum (meine Grösse und Gewicht) mit einem buchhalterischen Faktor von 1.45358708 aufrechnen. Das gibt mir gedanklich oder entschuldigenderweise keine Luft nach oben. Es ergibt sich aber ein gutes Gefühl, wenn errechneten Eigenwerte unter den wöchentlichen Konsumationsvorgaben liegen. So etwa in der Richtung, dass ich mich effektiv das ganze Jahr über im Schnitt locker im absolut moderaten Bereich zu bewege. 


Und wenn wir schon bei Rechnen sind, dann frage ich mich, warum man den generellen Konsum in der Bemessung lediglich auf eine Woche herunterbrechen muss. Warum kann man nicht, als Konstante das ganze Leben bei der Betrachtung miteinbeziehen? Also eine Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart. Wenn ich also errechne, dass ich heute 67 Jahre alt bin und bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr gar nichts getrunken habe, so ergibt sich im Schnitt eine unglaublich gesunde Formel, welche deutlich unter dem «moderaten Wert» liegt. Santé



2025 IST ANGERICHTET!



Das neue Jahr kommt automatisch! Man kann es nicht regulieren, aber immerhin steuern. Ich habe beschlossen 2025 weiter zu kuppeln und zu schalten. Nach dem Schalten kann man immer noch situativ entscheiden, ob ein Gang höher oder einer tiefer eingelegt wird. Nach dem Motto von Henry Ford: «Es liegt an Dir, ob Du im kommenden Jahr aufs Gas- oder Bremspedal trittst!». 

Gelegenheiten ergeben sich nicht von selbst. Man muss dafür auch etwas dafür tun. «Auf Veränderungen zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten». Hatte Albert Einstein mit diesem Spruch recht? Auch hier bestätigt die Ausnahme die Regel. Grad gestern war ich am Bahnhof in Luzern. Und da ist ein Schiff abgefahren …


2024 war ein glücklicher, bewusst auch privilegierter Mix vom Besten, was das Leben zu bieten hat. Dafür bin ich meiner Familie, meinen Freunden und dem transzendentalen Umfeld wirklich sehr dankbar. Dabei vergesse ich nie Menschen, welchen es nicht so gut geht. Wenn man zu sich grosszügig ist, dann sollte es für andere eigentlich auch reichen … 


Was nächstes Jahr privat passiert, weiss meine Familie bereits und meine Freunde sind auch informiert. Weitere Freiräume sind mir heilig und dienen der persönlichen Regeneration. In Sachen Wein sind alle kommenden Events bereits auf der Webseite aufgelistet. Insgesamt sind es ein paar weniger als sonst. Insbesondere deshalb, weil ich alle externen Anfragen aus Altersgründen mittlerweile höflich negiere. 


Was 2025 kommt; Bordeaux-Magnum in Davos • Pomerol-Jahrhundert-Jahrgang 1998 in Hildisrieden • Zwei grosse Mouton-Vertikalen (Emmental und Bad Ragaz) • Jürg’s Magnum-Ikonen in Zürich • Bordeaux 2005 in Eschenbach • Figeac-Vertikale in Zürich • Doppelmagnums und rare Pomerols (Pétrus & Co.) in Meggen • Imperiale in Zürich • Château Guiraud in Bordeaux • Luzerner-Legenden-Lunch …


Sehen wir uns irgendwo nächstes Jahr? Das würde mich sehr freuen. 


ALLES GUTE AUS ESCHENBACH, RENE